Experten geben 27 Vorschläge zur Deradikalisierung Jugendlicher ab

Junge, muslimische Männer sind besonders radikalisierungsgefährdet. Durch Kontakt mit Eltern und Communities soll dem entgegengewirkt werden.
Seit zwei Jahren gibt es das Wiener Netzwerk zur Deradikalisierung und Prävention.

Es war eine Studie, die das Thema Radikalisierung zuletzt wieder sehr stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt hat. Jene des Soziologen Kenan Güngör und der Anthropologin Caroline Nik Nafs: Ihren Studienergebnissen zu Folge seien 27 Prozent der muslimischen Jugendlichen in den Wiener Jugendeinrichtungen gefährdet, sich zu radikalisieren.

Güngör ist auch Vorsitzender des Expertenrates des Wiener Netzwerks Deradikalisierung, das 2014 in Wien gegründet wurde. Ziel des Netzwerks – das vom Wiener Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs geleitet wird – ist es, Extremismus, Fanatismus und Radikalisierung bei jungen Menschen zu erkennen und auch zu verhindern.

Die Mitgliederliste ist lang: Abgesehen von den zuständigen Magistratsabteilungen sind auch das AMS, der Stadtschulrat, die Polizei, verschiedene Vereine und die Kinder- und Jugendanwaltschaft dabei.

Gestern, Donnerstag, gaben die Experten 27 Empfehlungen in verschiedenen Bereichen wie Politik oder Bildung, an die Stadt Wien ab.

"Wir müssen mehr in Schulpsychologen und Sozialarbeiter investieren", sagt Patricia Hladschik vom Ludwig Boltzmann Instiut für Menschenrechte, die auch Mitglied im Expertenforum ist. Es brauche mehr Geld für Gewaltprävention – Stichwort Mobbing – an Schulen.

Experten geben 27 Vorschläge zur Deradikalisierung Jugendlicher ab
Es brauche mehr politische Bildung im Unterricht, eine Weiterentwicklung des Religionsunterrichts, aber auch mehr Unterstützung für Lehrer. Zumindest diese Forderung wurden zum Teil auch schon umgesetzt: Im Schuljahr 2015/16 wurden knapp 1900 angehende Lehrer an der Pädagogischen Hochschule zum Thema Deradikalisierung geschult und fortgebildet.

Hilfe für Aussteiger

Information und Fortbildung von sogenannten Multiplikatoren – also Lehrern, Jugend- und Sozialarbeitern, Kindergartenpädagogen, Polizisten oder Psychologen ist eine der wichtigsten Aufghaben des Netzwerks. 6000 Personen wurden so seit dem Jahr 2014 über Vorträge oder Workshops geschult.

Künftig sollen auch die Communities, etwa die tschetschenische oder die afghanische, besser in die Präventionsarbeit miteinbezogen werden. Auch den Eltern komme in Sachen Deradikalisierung eine Schlüsselfunktion zu, allerdings seien sie bisher schwierig zu erreichen gewesen. Laut Netzwerk-Leiter Ercan Nik Nafs bedarf es auch eines Aussteiger-Programmes für Radikalisierte in den Gefängnissen. "Die Rückkehrer sind eine zentrale Herausforderung."

Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) wiederholte ihre Forderung nach einem bundesweiten Netzwerk zur Deradikalisierung: "Man kann unser Modell 1:1 in den Bund übertragen."

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