Experte hält Rauswurf eines kämpferischen Mieters für "falsch"

Walther Götlinger wurde 1947 geboren. Seitdem lebt er im Barockhaus „Zu den sieben Schwertern“
70-Jährigem wird vorgeworfen, sich den Vorraum zu seinen Wohnungen angeeignet zu haben.

Walther Götlinger hockt in seinem Wohnzimmer und schlichtet Bücher in einen Umzugskarton. Nach 70 Jahren muss er aus der Wohnung ausziehen, in der er geboren wurde. Das ist fix. Der Fall war bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) gegangen.

Experte hält Rauswurf eines kämpferischen Mieters für "falsch"
Mietstreit, Herr Götlinger, Mieter Schwertgasse 3, 1010 Wien
Götlingers Kündigung hat – wie berichtet – eine Vorgeschichte: Seit 2011 kämpfen Mieter des denkmalgeschützten Barockhauses in der Schwertgasse 3 im ersten Bezirk gegen den vom Eigentümer (Humer Privatstiftung von Ex-Palmers-Vorstand Rudolf Humer) geplanten Dachausbau. Seitdem erhielten zwei von ihnen – Winfried Freund und Walther Götlinger (beide wohnen im Dachgeschoß) gleich mehrere Kündigungen. Während das Verfahren gegen Freund noch läuft, ist eine der Kündigungen gegen Walther Götlinger nun rechtskräftig. Er habe sich "unleidlich verhalten", urteilt das Gericht.

Vorraum nicht gemietet

Götlinger bewohnt in dem Haus zwei Wohnungen im Dachgeschoß, Pawlatsche inklusive. Die Wohnungen sind durch einen Vorraum verbunden. Vom Stiegenhaus führt ein barockes Tor in den Vorraum, den Schlüssel dazu hat nur Götlinger. Die neue Hausverwaltung wollte die gelebte Praxis aber ändern, weswegen Götlinger sein Mietrecht in einem Feststellungsverfahren einklagte.

Das Bezirksgericht Innere Stadt stellte jedoch fest, dass Götlinger zwar ein Mietrecht am Laubengang hat, den er jahrelang allein nutzte, aber nicht an dem Vorraum, der ausschließlich zu seinen beiden Wohnungen führt.

Also legte Götlingers Anwalt Markus Freund Berufung ein. Das Landesgericht aber bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Die Hauseigentümer forderten Götlinger auf, den Schlüssel für die Türe zu dem Vorraum abzugeben. Weil er das auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht tat, ließen die Hauseigentümer das Schloss aufbrechen; Götlinger klagte auf Besitzstörung und bekam Recht. Trotzdem lehnte der Obersten Gerichtshof (OGH) später die außerordentliche Revision ab.

"Das ist bestürzend", sagt Götlingers Anwalt. "Mein Mandant hat den Zustand nie verändert. Er kann nichts dafür, dass sich die Eigentümer nie einen zweiten Schlüssel zurückbehalten haben."

Entscheidung "falsch"

Auch Walter Rosifka, Mietrechtsexperte bei der Wiener Arbeiterkammer, kann die Entscheidung des OGH nicht nachvollziehen. "Das erscheint mir als ungewöhnlich strenge Entscheidung zu Lasten des Mieters, die meines Erachtens falsch ist", sagt Rosifka. Auch wenn die Rechtsprechung seit Jahrzehnten "recht vermieterfreundlich" sei.

Experte hält Rauswurf eines kämpferischen Mieters für "falsch"
Mietstreit, Herr Götlinger, Mieter Schwertgasse 3, 1010 Wien
Nur weil Götlinger im Vorprozess kein Mietrecht an dem Vorraum zugestanden wurde, sei er nach Rosifkas Rechtsauffassung "keinesfalls" dazu verpflichtet gewesen, den Vermietern jederzeit und ungehindert Zutritt zum Gang zu ermöglichen. "Schließlich war es jahrzehntelang mit Wissen der Vermieter so, dass sie keinen Zutritt zu dem Bereich hatten und das wurde nicht beanstandet." Die Gerichte hätten es sich "einfach gemacht", indem sie dem Mieter das, "was er jahrelang unbeanstandet gemacht hat, jetzt als unleidliches Verhalten auslegen".

Bis 28. September muss Walther Götlinger seine Wohnung räumen. "Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zu packen. Und in dieser Wohnung sind mehrere Leben verpackt", sagt er. Schon seine Eltern hatten dort gewohnt.

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