Schuldspruch im Prozess gegen IS-Rückkehrerin Evelyn: Zwei Jahre bedingt

Der Bub hatte seit 2017 in dem Zeltlager Camp Roj in Nordsyrien gelebt
Vor zehn Jahren schloss sich die Wienerin dem IS an. Sie heiratete einen Kämpfer, lebte in Raqqa. Zurück in Österreich, muss sie sich vor Gericht verantworten.

Die junge Frau, die am Mittwoch den Gerichtssaal in Wien betritt, ist komplett in schwarz gekleidet. Schwarzer Blazer, schwarzer Pullover, schwarze Hose. Die 26-Jährige trägt eine Brille. Ihre langen, dunklen Haare trägt sie offen. Die Öffentlichkeit wird ihr Gesicht nicht sehen. Als sie in den Verhandlungssaal gebracht wird, mussten Fotografen und Kamerateams den Raum bereits verlassen.

Dabei ist das öffentliche Interesse enorm. Bei der Angeklagten handelt es sich um Evelyn T. Sie war im Teenager-Alter, als sie 2015 das erste Mal versuchte, nach Syrien zu reisen. Ein Jahr später gelang es ihr.

Auf Sinnsuche

"Religion hat in meiner Familie nie eine Rolle gespielt, meine Mutter ist Christin", sagt die Angeklagte. Mit 14 Jahren sei sie auf Sinnsuche gewesen und habe durch ihre Cousine Einblicke in eine äußerst konservative islamische Welt bekommen. Auch der Freundeskreis vertrat diese Ansichten. "Sie fand den IS gut, hat sich von der Ideologie abgeholt gefühlt", gesteht auch Anwältin Anna Mair zu. "Sie war in dieser Blase."

Evelyn begann, sich zu verhüllen. Sie ging nur mehr mit gesenktem Blick durch die Gegend. Sie dürfe nicht arbeiten, müsse jung heiraten, sei ihr gesagt worden.

"Dann wurde mir mein späterer Mann vorgestellt", erinnert sich die junge Frau. "Er hat gut ausgesehen, war zehn Jahre älter. Und er war bekannt." "Bekannt?", fragt der Richter. "Seine Familie. Sie wusste alles über den Islam." Konkret handelt es sich um eine hochgradig radikalisierte Großfamilie mit afghanischen Wurzeln.

Neues Leben in Syrien

"Er hat gesagt, er wird mich beschützen, alles für mich tun. Ich war sehr verliebt", erzählt Evelyn T. Noch in Wien wurde das Paar verheiratet.

Der Mann, ein IS-Kämpfer, reiste voraus. Nach zwei missglückten Versuchen gelang auch Evelyn die Ausreise nach Syrien. Sie lebte in der IS-Hochburg Raqqa. Doch all die Versprechungen bewahrheiteten sich nicht. Sie war im Haus gefangen, der Mann schloss es von außen zu. Sie durfte nicht aus dem Fenster schauen, keine anderen Frauen treffen. Fast täglich schlugen Bomben in der Umgebung ein.

Sie müsse die "Ungläubigen" hassen, wurde ihr eingeimpft. "Aber ich habe keinen Hass empfunden. Wie auch. Auch meine Familie ist ungläubig."

Als sie ihren Sohn bekam, sei das ein Weckruf gewesen, erzählt Evelyn. "Ich habe mich gefragt, ob ich will, dass mein Kind so aufwächst."

Urteil am Mittwoch

Als die ganze Familie fliehen wollte, wurde sie von kurdischen Milizen festgenommen. Seit 2017 saß Evelyn mit ihrem Sohn im Lager Roj fest. "Ein täglicher Überlebenskampf. Es sind viele Kinder dort gestorben. Es gab Krankheiten, viele Verbrennungen. Ein Zelt brennt in fünf Minuten ab, wir haben dort mit Kerosin geheizt."

Vor etwas mehr als einem Monat brachte sie das österreichische Außenministerium überraschend in ihre Heimat zurück - gemeinsam mit der Salzburgerin Maria G. und ihren beiden Kindern. Sofort wurde Evelyn in U-Haft genommen. Ihr mittlerweile siebenjähriges Kind kam in die Obhut der MA 11.

Sie habe Pläne, erzählt Evelyn T. "Ich kann noch etwas aus meinem Leben machen." Sie wünsche sich ein langweiliges Leben. Mit ihrem Kind und einem Job. "Am liebsten etwas mit Tierpflege."

Schuldspruch

Am Mittwoch wurde sie vom Gericht wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation schuldig gesprochen und zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt. Bewährungshilfe wird angeordnet, zudem eine verpflichtende Psychotherapie und der Besuch der Extremismus-Beratungsstelle. 

Zur Strafhöhe sagt der Richter: "Wir haben einen einzigartigen Fall. So eine Konstellation hatten wir noch nie." Der Strafrahmen in derartigen Fällen würde eigentlich bis zu zehn Jahren betragen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, somit wird Evelyn T. nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt.

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