Erste Bewohner bezogen das neue Wiener VinziDorf
Sieben Jahre lang lebte Joschi (55) in Wien auf der Straße. Geschlafen hat er unter einer Brücke in Meidling. Als er vor etwa zehn Jahren seine Frau mit einem anderen zu Hause erwischte, ging er von daheim weg und kehrte nie mehr zurück. Seit knapp zwei Wochen hat Joschi jetzt wieder ein Zuhause. Im Wiener VinziDorf in der Hetzendorfer Straße in Meidling.
Vor knapp zwei Wochen sind die ersten sechs Bewohner ins VinziDorf gezogen. Nach und nach werden die 24 Apartments bezogen. Wer eines der Zimmer betritt, den umgibt eine wohlige Wärme. Es ist wärmer als wohl bei den meisten Menschen zu Hause. „Überwarm“ nennt es Lara Wulz vom VinziDorf. Aber so eine „Überwärme“ bräuchten die Bewohner nach all der Zeit auf der Straße oft.
Das VinziDorf in Meidling ist das erste derartige Wohnprojekt der Vinzenzgemeinschaft in Wien. Langzeitobdachlose, die in Österreich anspruchsberechtigt sind, können dort eines der acht Zimmer im Haupthaus oder einen der 16 Garten-Bungalows beziehen. Jedes der knapp 9 großen Zimmer hat ein eigenes Bad.
Langzeitwohnen
Im Gegensatz zu anderen Obdachloseneinrichtungen bietet das VinziDorf kein zeitlich befristetes Obdach. Die Bewohner können dort so lange wohnen bleiben, wie sie wollen. Wer einmal aufgenommen wurde, muss nicht mehr ausziehen. Im folgenden Video erklärt Ulrich Wanderer, Obmann des Wiener VinziDorfes, den Sinn eines Vinzidorfes:
Eine Heimat für Heimatlose
Der Bau des Wiener Vinzidorfes hat 1,5 Millionen Euro gekostet und ist gänzlich spendenfinanziert. Angefangen von privaten Spendern, über die HTL-Schüler, die die Bungalows gebaut haben, über die Firmen, die Baumaterial oder etwa die Fenster zur Verfügung gestellt haben. Doch wie bei vielen Sozialeinrichtungen gab es auch beim Bau des VinziDorfs zunächst Widerstand in der Nachbarschaft, wie Georg Scheibler, der freiwillig im Vinzidorf hilft, erzählt:
"Das hat mich motiviert weiterzumachen!"
Ein Dorf ist ein Dorf
Im VinziDorf geht es vor allem darum, dass ehemalige Obdachlose zur Ruhe kommen und wieder ein Zuhause bekommen. Deshalb werden die Gäste dort nicht „Klienten“ genannt, sondern „Bewohner“. Es gibt keinen Speisesaal, sondern ein Gasthaus. „Das ist schließlich ein Dorf hier“, sagt Wanderer. „Und ein Dorf hat Bewohner und auch ein Gasthaus.“
Auf jedem Tisch im Gasthaus steht eine Vase mitMistelzweigen, auch der imposante Christbaum ist schon aufgeputzt. Der Verkäufer von nebenan hat ihn vergünstigt abgegeben. Zwei Dorfbewohner sitzen an den Tischen, einer spielt „Mensch-ärgere-dich-nicht“ mit einer freiwilligen Helferin, der andere sieht fern. Vor ihm auf dem Tisch eine Dose Pittinger.
Bier und Wein sind im VinziDorf erlaubt, Spirituosen nicht. „Die meisten Menschen, die uns kommen, haben auch ein Suchtproblem“, sagt Wanderer. Viele würden weniger trinken, seit sie im VinziDorf wohnen. Aus dem Leben will an diesem Tag keiner so recht erzählen. Für viele ist die Vorweihnachtszeit besonders hart. Die Freude darüber, eine Wohnung gefunden zu haben ist groß, der Schmerz, dass die Familie nicht für einen da ist, mitunter auch.
Im Gasthaus versieht auch Brigitte Knöbl ihren Dienst. Die 85-Jährige hilft beim Frühstück, wischt zwischendurch auf und tut auch sonst, was sie kann. „Im Sommer helfe ich freiwillig in der Kantine am Tennisplatz und im Winter war mir eh fad“, erzählt sie. „Man kann schon auch was für die Allgemeinheit tun."
Info und Spenden
Das VinziDorf wurde 1990 von Pfarrer Wolfgang Pucher der Lazarusgemeinschaft gegründet. Mittlerweile gibt es 39 Vinzenz-
Einrichtungen, das VinziDorf (12., Hetzendorfer Straße 117) ist die sechste Einrichtung in Wien.
Freiwillige Helfer für Tagdienste (8 bis 14 Uhr; 14 bis 22 Uhr), Nachtdienste (19.30 bis 8 Uhr) oder Kochdienste (16.30 bis 19.30 Uhr) werden gesucht: Infos unter: 0676/87423129 oder vinzidorfwien@vinzi.at
Spendenkonto: IBAN: AT71 2011 1288 4708 7100.
Fotos: Gerhard Deutsch
Videos: Christoph Aufreiter
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