Erdoğan-Jubel in Wien: Für Ludwig "friedlich" und "laut"

Erdoğan-Jubel in Wien: Für Ludwig "friedlich" und "laut"
Die Freudensbekundungen in Favoriten empörten FPÖ und ÖVP. Der Wiener Bürgermeister bleibt entspannt.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat die Freudenskundgebungen in Wien-Favoriten nach dem Sieg von Recep Tayyip Erdoğan bei der türkischen Präsidentenwahl zurückhaltend kommentiert. Am Rande einer Pressekonferenz nannte er die Feiern Dienstagvormittag "friedlich" und "laut". Es sei auch zu Verwaltungsübertretungen gekommen, denen nachgegangen werde. Den Ausgang der Wahl wollte Ludwig nicht bewerten. Er würde es sich auch verbitten, wenn andere Länder ein Wahlergebnis in Wien kommentieren.

Der Hintergrund: Die in Österreich lebenden türkischen Staatsbürger haben auch bei der Stichwahl mit großer Mehrheit für Amtsinhaber Erdoğan gestimmt - und dessen Sieg Sonntagabend entsprechend lautstark gefeiert. Daran entzündet sich jetzt neuerlich eine innenpolitische Kontroverse über Migration und Integration. Es wurden Ermittlungen des Verfassungsschutzes wegen Zeigens des verbotenen "Wolfsgrußes" angekündigt.

➤ Mehr lesen: Türkei-Wahl: Waren wir naiv? Nein, realistisch!

FPÖ spricht von "Kalifat"

Die Wiener FPÖ nahm die Kundgebungen am Montag zum Anlass, ein "Kalifat" zu orten, zu dem die SPÖ und Bürgermeister Ludwig Favoriten gemacht hätten, Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zum Rücktritt aufzurufen und die feiernden Erdogan-Fans zur Ausreise in die Türkei aufzufordern. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp und sein Favoritner Bezirksparteiobmann Stefan Berger sprachen in einer Aussendung von "tausenden fanatischen Männern" und einer "ernsten Bedrohung für Freiheit und Demokratie", angesichts derer der "unfähige" Innenminister und der Staatsschutz "völlig versagt" hätten. FPÖ-Chef Herbert Kickl blies diesbezüglich praktisch wortidentisch in dasselbe Horn, für ihn ist "die Dreistigkeit der Fanatiker das Ergebnis der Schwäche von SPÖ und ÖVP und auch das Ergebnis von jahrzehntelangen Versäumnissen beim Thema Integration".

➤ Mehr lesen: Wie es in der Türkei nach dem Wahlsieg Erdoğans weitergeht

Karner kündigt Ermittlungen an

Der solcherart kritisierte Innenminister Karner dankte seinen Beamten für ihr "umsichtiges Handeln" und kündigte Ermittlungen des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem Wolfsgruß an: "Der demokratische Rechtsstaat und seine Gesetze sind von allen Menschen, die in unserem Land leben, zu respektieren", erklärte Karner in einer Mitteilung an die APA. "Das ist die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben. Die Verherrlichung einer extremistischen Ideologie durch das Zeigen des Wolfsgrußes widerspricht aber klar unseren Gesetzen und wird konsequent verfolgt."

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) erklärte: "Importierter politischer Aktivismus und Gewalt sind auf das Schärfste zu verurteilen und mit der vollen Härte des Gesetzes zu bestrafen. Vom Ausland importierter Nationalismus ist das Gegenteil von Integration und hat bei uns keinen Platz." Für ihren Parteikollegen, Generalsekretär Christian Stocker, versagte Kickl in seiner Zeit als Innenminister "auf ganzer Linie". Schließlich habe er knapp zwei Jahre Zeit gehabt, "solche Entwicklungen zu unterbinden".

Spontane Feiern am Wahlsonntag

Zahlreiche Fans des türkischen Präsidenten hatten am späten Sonntagabend in Wien den Wahlsieg des türkischen Machthabers gefeiert. Brennpunkt dabei war der Reumannplatz in Wien-Favoriten. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie lautstark Feiernde türkische Fahnen und Erdogan-Bilder schwenkten.

Laut einem Sprecher der Wiener Polizei kam es bei den spontanen und daher auch nicht angemeldeten Kundgebungen ab 20.30 Uhr um den Reumannplatz zu Autokorsos, die massive Verkehrsbeeinträchtigungen verursachten. Durch das Einschreiten der Beamten und entsprechende Anzeigen habe sich die Lage aber gegen 23.30 Uhr wieder beruhigt. Man habe auch, so der Polizeisprecher, möglicherweise gefährdete Objekte wie das Ernst-Kirchweger-Haus - das in der Vergangenheit Ziel türkischer Hooligans war - oder Botschaften geschützt und auch verhindert, dass sich die mehreren hundert Feiernden nicht weiter in Bewegung setzen konnten. Anzeigen gab es laut Polizei aber auch nach dem "Symbolegesetz", da - wie auch bei vorangegangenen Veranstaltungen - von einzelnen jubelnden Erdogan-Fans der verbotene "Wolfsgruß" gezeigt wurde.

Mehrheit für Erdoğan

Fast 74 Prozent der wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Österreich gaben Erdoğan nach vorläufigen Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi ihre Stimme. Der alte und neue Präsident schnitt damit in Österreich im internationalen Vergleich besonders gut ab. Besser als in der Heimat war das Ergebnis für den Amtsinhaber auch erneut in anderen europäischen Ländern mit großen türkischen Communitys allen voran Deutschland, wo laut vorläufigen Ergebnissen rund 67,4 Prozent für Erdogan stimmten, Frankreich (66,6 Prozent), Niederlande (70,4 Prozent) und Belgien (74,9). Dagegen lag in Ländern wie Großbritannien, Schweden oder der Schweiz Kilicdaroglu voran.

 

Kommentare