Endstation für die U-Bahn-Stimme
Der Name Franz Kaida ist wohl den wenigsten Wienern geläufig. Seine Stimme kennen allerdings alle, die mit den Öffis unterwegs sind: Seit 44 Jahren spricht der 70-jährige pensionierte Mitarbeiter der Wiener Linien die Ansagen, die aus den Lautsprechern von Bus, Bim und U-Bahn tönen. Mit seiner sonoren Stimme hat er unter den Fans der Verkehrsbetriebe längst Kultstatus erreicht.
In wenigen Monaten werden die Fahrgäste allerdings zum letzten Mal sein "Bitte alle aussteigen" zu hören bekommen. Kaida muss einer neuen – weiblichen – Stimme Platz machen. Denn die Wiener Linien wollen ihr gesamtes Soundschema und damit auch die Ansagen völlig umkrempeln und vereinheitlichen.
Im Vorjahr führten die Verkehrsbetriebe unter 1500 Mitarbeitern und 500 Fahrgästen eine Umfrage zum Thema durch. Viele forderten dabei besser verständliche Durchsagen in den Bus- und Straßenbahnhaltestellen. Außerdem wünschte sich die Mehrheit der Fahrgäste eine weibliche Stimme, am besten gleich für sämtliche Durchsagen. Derzeit sind ja dafür noch verschiedene Personen zuständig. So wird etwa das "Zurückbleiben bitte" in der U-Bahn bereits jetzt von einer Frau gesprochen. "Wir wollen unser Klangbild vereinheitlichen", sagt Wiener-Linien-Geschäftsführer Eduard Winter dazu.
Und so läuft das Casting für die neue Stimme der Verkehrsbetriebe ab: In den vergangenen Wochen wurde bereits eine Reihe von Kandidatinnen mit einer professionellen Sprechausbildung getestet. Eine gut verständliche Stimme und ausreichende Englischkenntnisse zählten dabei zu den wichtigsten Kriterien. Bis zum 10. September werden sich zwei bis drei Favoritinnen herauskristallisieren. "Anders als etwa bei den ÖBB wird es sich dabei voraussichtlich aber nicht um Prominente handeln", verrät ein Sprecher jetzt schon.
Internet-Voting
Dann sind die Fahrgäste am Zug: Auf der Homepage der Wiener Linien können sie zwei Wochen lang darüber abstimmen, wer ihnen künftig in den Öffis sagt, wo es langgeht. Die Siegerin wird daraufhin in ein Tonstudio geladen, wo sie die Durchsagen von Alt Erlaa bis Zieglergasse einspricht.
Ein aufwendiges Unterfangen, auch wenn nicht jede einzelne Durchsage extra aufgenommen werden muss. Denn dank digitaler Technik werden einzelne, immer wiederkehrende Textbausteine zu den fertigen Durchsagen zusammengeflickt. Vermutlich noch in diesem Jahr wird dann die neue Stimme den Fahrgästen erklären, dass man bei der Oper auf die Lokalbahn nach Baden umsteigen kann und Personen mit Kleinkindern die Sitzplätze überlassen soll. Ob die Umstellung in einem Aufwischen oder in Etappen erfolgt, ist noch unklar. Die Ära Franz Kaida wird dann aber auf jeden Fall zu Ende sein.
Nachgefragt
Sein letzter Termin im Tonstudio war vor zwei Wochen. Seit 1968 ist Franz Kaida (70) die Stimme der Wiener Linien. Hauptberuflich leitete er den sicherheitstechnischen Dienst. Professionelles Sprechen hatte er als Radio-Mitarbeiter gelernt.
KURIER: Herr Kaida, sind Sie traurig, dass Ihre Stimme in den Öffis verstummt?
Franz Kaida: Eigentlich überhaupt nicht. Alles im Leben ist eine befristete Sache. Aber es war sehr schön, über so viele Jahre die Fahrgäste zu informieren. Ich habe mir nie gedacht, dass diese Tätigkeit so lange dauern wird.
Was macht eigentlich eine gute Öffi-Durchsage aus?
Das Wichtigste ist: Die Durchsage darf nicht über allem anderen stehen. Die meisten Fahrgäste der Wiener Linien kennen sich ja so gut aus, dass sie die Durchsagen gar nicht braucht. Man muss darauf achten, dass sich diese Fahrgast-Gruppe nicht gestört fühlt. Mit der Zeit habe ich aber die richtige Betonung und die richtige Stimmlage entwickelt.
Ist der Job im Tonstudio nicht ziemlich monoton?
Mir ist das nie so vorgekommen. Mit der Einführung der Digitalisierung war es auch nicht mehr nötig, so oft ins Studio zu gehen.
Hat Ihnen der Bekanntheitsgrad Ihrer Stimme auch andere Job-Angebote eingebracht?
Man mich gebeten, die Ansagen für Anrufbeantworter zu machen. Auch aus der Werbebranche gab es Angebote. Firmennamen möchte ich keine nennen, aber es ging um das Thema Reisen.
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