Eine bärenstarke Hilfe für Senioren
Vier Teddybären sitzen im Erdgeschoß der Wiener Schlagergasse 2 auf einem Regal. Für den großen hellbraunen, den dunkelbraunen und den kleinen weißen interessiert sich hier aber kaum jemand. Aufmerksamkeit kommt nur dem hellgrauen Exemplar zu: dem Teddybären Paul.
Er sieht auch etwas anders aus - ihm stehen ein Sensor und eine LED-Lampe aus seinen Ohren, an seinem Rücken sind zwei braune Träger festgenäht.
Die 72-jährige Christine Borsodi drückt Paul liebevoll an sich. Das Kuscheltier hat einen seiner Zwecke damit schon erfüllt: Er soll ältere Menschen unterhalten. Und sie im Alltag unterstützen - mit neuester Technologie, die in seinem Inneren verbaut ist.
Denn Paul ist ein interaktives Kuscheltier, das wie ein Rucksack getragen werden kann.
„Ich finde den Bären entzückend. Die Idee, in einem Rucksack Technologie zu verpacken, die älteren Menschen helfen soll, ist lieb“, sagt Borsodi.
Schüler als Schöpfer
Der Einfall dazu stammt von einer fünfköpfigen Schülergruppe der HTL TGM (Technologisches Gewerbemuseum) in Wien-Brigittenau. Sie hat den Bären gemeinsam mit dem Practical Robotics Institute Austria (PRIA) und der Technischen Universität (TU) Wien entwickelt.
Ausschlaggebend für diese Zusammenarbeit war das Forschungsprogramm "Sparkling Sciene". Es finanziert die Initiative "iBridge", welche Jung und Alt in puncto Technik vernetzen möchte.
Auch Senioren trugen so ihren Teil zum Teddy bei: Sie wurden im Entwicklungsprozess gefragt, welche Hilfestellungen sie benötigen. Das Resultat: Paul.
Puls messen und Märchen lesen
Ihn stellt das Entwicklerteam nun im Pensionistenklub Schlagergasse am Alsergrund vor. Die Schüler gehen mit dem Teddy von Tisch zu Tisch, um den Senioren seine Funktionen genau zu erklären.
Die Pensionistenklub-Besucher lauschen ihren Worten. Zwar mit skeptischen Blicken, aber durchaus interessiert. Vor allem wollen sie den Bären aber gleich selbst testen.
Soeben ist der Bär an Herbert Holzapfel (68) weitergereicht worden. Er drückt den silbernen Knopf auf Pauls Bauch. „Ein Signal wird gesendet“, ertönt eine tiefe Computerstimme aus dem Kuscheltier.
Holzapfel hat den Notfallknopf bedient. Dieser soll eine ausgewählte Kontaktperson oder die Rettung alarmieren.
„Paul kann sowohl unterhalten als auch Hilfe leisten“, erklärt Paul Mazzolini (19), Leiter der Schülergruppe. Drückt man auf die linke Hinterpfote, wird etwa das Pulsmessen aktiviert. Damit der Teddy den Puls fühlen kann, müssen die Senioren nur ihren Daumen an Pauls rechtes Ohr legen.
Die linke Hinterpfote des Bären erinnert per Knopfdruck täglich an wichtige Termine und an Medikamente.
Aber auch gegen Langeweile soll Paul helfen: Mit dem Knopf an seiner linken Vorderpfote lässt sich die Hörbuch-Funktion aktivieren. Paul liest dann Märchen wie die Bremer Stadtmusikanten oder Rapunzel vor.
Ist den Senioren eher nach Spielen zumute, können sie nach dem Drücken der rechten Vorderpfote „Simon sagt“ spielen. Paul gibt dabei Anweisungen, was sie zu tun haben. Wie „Simon sagt, drücke meinen rechten Fuß.“
Unter 100 Euro
Damit Bär Paul weiß, an welche Termine er erinnern soll und an wen er das Notfallsignal zu senden hat, müssen diese Informationen zuerst mit Hilfe des Computers eingespeichert werden. Eine Verbindung mit dem Internet hat Paul nicht, damit niemand auf die eingegebenen Daten zugreifen kann.
Unter 100 Euro soll Teddy Paul später einmal kosten. Momentan kann der Bär noch nicht bestellt werden, ist er doch ein Prototyp. Serienreif könnte er aber durchaus werden.
Denn es soll ausgelotet werden, ob der Teddy künftig in den Seniorenhäusern und -treffs des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) eingesetzt werden kann.
„Dazu müssen wir ihn aber noch weiterentwickeln“, sagt Rene Pöcher (23), der innerhalb des KWP für Digitalisierung zuständig ist. „Für uns ist wichtig, dass der Bär keinesfalls Arbeitsplätze kostet.“
Zudem müsse der Bär auch hygienetechnisch überarbeitet werden. Denn wie Mazzolini erklärt, ist die Waschmaschine momentan noch Pauls Feind.
Für eine Weiterentwicklung sprechen sich auch die Senioren aus. Sie haben sogar konkrete Vorschläge: Er solle sich doch bitte bewegen können, damit man ihn im Fall eines Sturzes zu sich rufen kann.
Mögliches Start-up
Ob das alles Realität wird, ist noch ungewiss. Die Schüler denken jedenfalls schon über die nächsten Schritte nach. „Ein Start-up zu gründen, wäre eventuell eine Möglichkeit“, sagt Mazzolini. Immerhin habe die Erfindung schon drei Preise gewonnen.
Geht es nach Christine Borsodi, ist Teddybär Paul bereits perfekt. „Ich würde den Bärenrucksack kaufen - auch ohne die Technologie darin.“
von Petra Hochstrasser
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