Ein Ruck geht durch die Wiener SPÖ
Freunde werden sie in diesem Leben wohl nicht mehr, die Fernsehkamera und Walter Ruck. Wer den Präsidenten der Wiener Wirtschaftskammer schon einmal vor der Kamera interviewen wollte, der kann ein Lied davon singen. Einen Take, mehr hat man nicht. „Sie können das eh zusammenschneiden“, sagt er dann , dreht sich um und geht.
Tritt der 55-jährige ÖVP-Mann doch vor die Kameras, so tut er das – zumeist – in roter Begleitung. Der mediale Paarlauf von Ruck und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist legendär. Ruck und Ludwig beim Benefiz-Fußballturnier; beim Unterzeichnen einer „Zukunftsvereinbarung für Wien“; beim Illuminieren des Christbaums vor dem Wiener Rathaus.
In Zeiten, in denen die türkise Stadt-ÖVP rund um Gernot Blümel und die SPÖ keinen freundlichen Halbsatz füreinander übrig haben, ist das keine Selbstverständlichkeit mehr. Die alten sozialpartnerschaftlichen Männerfreundschaften sind aus der Mode gekommen.
Kritik, leise vorgetragen
Ruck bringen seine Auftritte mitunter – leise – Kritik aus den eigenen Reihen ein. Als er etwa sogar die Herbstkampagne der Kammer gemeinsam mit dem Bürgermeister vorstellte, ging das manchen dann doch zu weit.
Nicht nur mit Ludwig – den er als Bauunternehmer in dessen Zeit als Wohnbaustadtrat schätzen lernte –, sondern auch mit anderen SPÖ-Granden geht er auf Tuchfühlung. Mit Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke warb er in London für den Standort Wien. Mit Sozialstadtrat Peter Hacker referierte er zuletzt über Start-Ups im Gesundheitssektor. Dass sich zeitgleich ÖVP-Chef Blümel und Hacker im Streit um die Mindestsicherung mit immer neuen Vorwürfen bewarfen, störte ihn da nicht.
Ruck bringt sich damit in Stellung. Er ist eine zentrale Figur im schwarzen ÖVP-Flügel, der die türkise Linie im Wien-Wahlkampf nicht goutieren wird. Je nach Wahlergebnis könnte Ruck zu einem Protagonisten im Koalitionspoker werden. Die ÖVP will in Wien mitregieren. Falls sich Türkis-Blau nicht ausgeht und sich die Neos nicht für eine Dreier-Koalition gewinnen lassen, bleibt eine Option: Rot-Türkis. Sowohl für Ludwig als auch für Blümel, der in diesem Fall in Wien bleiben will, ist die Variante mäßig attraktiv. Das leidenschaftliche Duell Stadt gegen Bund, mit dem beide Seiten gerne ihr Profil schärfen, ließe sich nicht mehr so glaubwürdig fortführen. Für Michael Ludwig wäre ein schwarzer Partner wesentlich angenehmer als ein türkiser. Und Ruck würde der Vizebürgermeister aus Sicht vieler Konservativer gut stehen.
Ruck ist kein Lauter. Keiner, der poltert. „Er mag es nicht, am laufenden Band mal dies und mal jenes zu kritisieren“, heißt es aus seinem Umfeld. Er melde sich zu Wort, wenn er eine Lösung hat. Kritik an der Regierung übte Ruck zuletzt angesichts der Pläne, Asylwerber in der Lehre abzuschieben. Blümel richtete er aus, dieser solle sich zwischen Ministeramt und Parteivorsitz in Wien entscheiden.
Die Kammer führt Ruck mit einem Kreis an Vertrauten, darunter Vize-Direktor Alexander Biach (zugleich Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger) und PR-Berater Rudi Fußi. Im Haus attestiert man Ruck Fachkompetenz quer durch alle Sparten – und Machtbewusstsein: „In der Kammer sind wir wie eine Familie. Alle streiten und am Ende wird gemacht, was der Papa sagt“, pflege Ruck zu sagen.
„Gerne behilflich“
Dass er nach Höherem strebt, zeigte er im Vorjahr. Da wollte er Christoph Leitl im Bund als Chef von Wirtschaftsbund und -kammer beerben. Er musste sich Harald Mahrer geschlagen geben. Dass sich Kanzler Sebastian Kurz für Mahrer stark gemacht haben soll, dürfte Rucks Verhältnis zu Türkis weiter trüben.
Rund um Ruck wird ein Interesse an einem Amt in der Stadtregierung bestritten. Er fühle sich den Unternehmern verpflichtet. Nachsatz: „Aber er ist sicher gern bereit, einen geeigneten anderen Kandidaten zu finden.“ Womit wir wieder bei Alexander Biach wären. Die türkisen Funktionäre haben mit derartigem wenig Freude: „Niemand hat eine Chance gegen die Strahlkraft von Gernot Blümel“, richten sie dann gerne aus.
Übrigens: Rucks fotografische Liebe zur SPÖ ist keine mediale Erfindung. Mit der Suche nach einem gemeinsamen Bild von Ruck und Blümel tut sich nicht nur Google schwer. Auch in der Kammer heißt es auf Anfrage: Fehlanzeige. „Haben wir nicht.“
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