Ein Ruck für die Sonntagsöffnung

Präsident Walter Ruck will einen Paradigmenwechsel in Wien.
Der Wirtschaftskammerpräsident befragt jetzt 100.000 Mitglieder.

Ganz Österreich hat sie – nur Wien nicht. Tourismuszonen, in denen auch am Sonntag eingekauft werden kann. Doch zuletzt wurden Stimmen laut, die sich für eine Sonntagsöffnung in begrenzten Zonen aussprachen. Immer wieder wurde dafür die Innenstadt genannt.

Die Wirtschaftskammer Wien lässt daher ihre Mitglieder über diese Frage abstimmen, der Präsident gibt die Linie vor. "Es geht um einen Paradigmenwechsel", sagte Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck am Donnerstag bei der Präsentation des Fragebogens zur Abstimmung. Er wird am 29. Oktober an alle 100.000 Mitglieder versendet. Neben den Tourismuszonen werden die Mitglieder gefragt, ob sie dafür sind, dass Schanigärten das ganze Jahr über aufsperren dürfen. Zudem wird gefragt, ob sich die Kammer für eine zehnprozentige Senkung der SVA-Krankenversicherungsbeiträge oder für eine Streichung des Selbstbehalts beim Arzt einsetzen soll.

Bundesländervergleich

Dass die wichtigste Frage jene über Tourismuszonen ist, darüber ließ Ruck keinen Zweifel. Er präsentierte eine Liste von 500 Tourismuszonen in den anderen Bundesländern. Das müsse auch in Wien möglich sein, so Ruck.

Kritik, dass zur Sonntagsöffnung nicht nur Kaufleute sondern alle Mitglieder befragt werden, wischte Ruck vom Tisch: "Ich bin Baumeister und fühle mich ebenso betroffen." Zudem könne man das nicht so eng abgrenzen. Denn in der Sparte Handel sind auch Versicherungsagenten oder Mineralölhändler. Konditoren oder Schneider – die von der Regelung wohl betroffen wären – hingegen nicht. Eine Sonntagsöffnung für Einkaufszentren, wie das etwa Richard Lugner mehrfach gefordert hat, kann Ruck dagegen nichts abgewinnen. "Ich sehe rund um die Wiener Stadthalle keine Sehenswürdigkeiten, die für Touristen interessant wären", sagte Ruck.

Einführen müsste eine Tourismuszone der Landeshauptmann. Michael Häupl hatte zuletzt betont, dass er durchaus für Sonntagsöffnungen sei, wenn sich die Sozialpartner einigen. Doch die Gewerkschaft hatte zuletzt gegen die Tourismuszonen mobil gemacht. Beunruhigt ist Ruck deswegen nicht. "In allen anderen Tourismuszonen gibt es eine Einigung unter den Sozialpartnern", sagt er. Man werde sich auch in Wien einigen.

Ruck selbst gab keine Empfehlung ab. Er sehe es auch nicht als Niederlage, falls bei der Tourismuszone die Mehrheit für "Nein" stimmen würde, versicherte er.

Bis 5. Dezember müssen die Fragebögen einlangen, das Ergebnis soll am 9. Dezember bekannt gegeben werden. Doppelstimmen werden durch einen Barcode verhindert, der vor dem Einwurf in die Wahlurne abgetrennt wird. Damit sei die Anonymität gewährleistet, wurde am Donnerstag betont.

Peter Bernert besitzt ein Modegeschäft am Graben in der Innenstadt und ist gegen die Sonntagsöffnung. "Aus weltanschaulichen und wirtschaftlichen Gründen", sagt Bernert. Schon jetzt müssten viele Menschen am Sonntag arbeiten. Doch für die Familien ist der Sonntag der einzige Tag, an dem alle zusammenkommen. "Würde der Handel auch am Sonntag öffnen, wären noch mehr Familien betroffen", sagt Bernert, der auch nicht glaubt, dass die Sonntagsöffnung für alle wirtschaftlich sinnvoll ist. "Ich habe vier Geschäfte", sagt Bernert. "Ich bin davon überzeugt, dass es sich an einem Standort rechnet. An anderen wieder nicht."

In den Tourismuszonen würden jedoch alle unter Druck kommen, aufzusperren. Zudem habe ein Kleiner nicht die Personalressourcen wie eine große Kette. Die Folge: "Die Einzelhändler werden sterben, die Großen gewinnen", sagt Bernert.

Gegenpol

"Ich würde sofort am Sonntag öffnen, wenn ich könnte", sagt dagegen Christian Kern, Unternehmer mit zwei Geschäften im ersten Bezirk. "Ich bin oft am Sonntag im Geschäft, um die Schaufenster dekorieren. Da sehe ich, wie sich die Touristen an meiner Schaufensterscheibe die Nase platt drücken, darf sie aber nicht hereinlassen", sagt Kern. Dass bei einer Sonntagsöffnung Kunden unter der Woche ausbleiben, glaubt der Kaufmann nicht: "Das Geschäft ist allgemein zäh, da ist jeder kaufwillige Kunde ein Zusatzgeschäft." Probleme für Familien sieht er nicht: "Der Sonntag ist nicht mehr die heilige Kuh."

Kerns Angestellte sieht das ein wenig anders. Sie sei eher gegen eine Sonntagsöffnung, sagt sie auf Nachfrage.

Für Kern ist das kein Problem. "Ich verstehe, dass manche Angestellte den Sonntag ablehnen."

Für das Sonntagsgeschäft würde er daher selbst im Laden stehen oder eine Aushilfskraft anstellen: "Ich finde sicher Studenten, die am Sonntag arbeiten wollen."

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