"Arbeiterstrich": Busen-Brunnen wirbt für Menschenrecht auf Arbeit

"Arbeiterstrich": Busen-Brunnen wirbt für Menschenrecht auf Arbeit
Der Architekt Milan Mijalkovic möchte auf die prekäre Situation am "Arbeiterstrich" aufmerksam machen.

Pünktlich um 6.30 Uhr geht es los, der Architekt Milan Mijalkovic macht sich auf den Weg, um seinen mobilen Trinkwasserbrunnen in Form eines Busens abzuholen. Schnell wird der Wassertank aufgefüllt und schon geht es los nach Ottakring. Das Ziel: Der „ Arbeiterstrich“ an der Herbststraße beim Ludo-Hartmann-Platz. Dort warten schon einige Männer auf Auftraggeber, die sie in ihren weißen Kastenwägen zu Baustellen bringen.

Auch parkt mit seinem Lieferwagen – die Kleintransporter sind für ihn ein Symbol für den Kapitalismus. Er öffnet die Ladefläche und verbindet den Wassertank mit dem Brunnen. Dieser sieht aus wie eine Brust, hat einen Durchmesser von zwei Metern und ist aus wasserfestem Gips. Sie ragt hinten aus der Ladefläche, aus der Brustwarze kommt das Trinkwasser. Mijalkovic kennt die Männer am Arbeiterstrich, einige grüßen ihn sofort. „Zigaretten helfen, um ins Gespräch zu kommen“, erklärt er. Mit seiner Kunstaktion möchte er auf die prekäre Situation der Schwarzarbeiter aufmerksam machen.

Busen-Tränke am Arbeiterstrich führt zu Diskussionen

„Im Sommer bietet es sich zudem an, ihnen kaltes Wasser zu bringen, immerhin stehen die da wegen fehlenden Arbeitsgenehmigungen teilweise den ganzen Tag“. Ein Bulgare, der anonym bleiben möchte, erzählt, dass er von Montag bis Freitag gewartet hätte, aber keine Arbeit gefunden habe. „Einer wollte, dass ich für fünf Euro in der Stunde Fliesen lege - das geht nicht, ich habe eine Familie zu ernähren“. Für sieben Euro hätte er es gemacht.

"Arbeiterstrich": Busen-Brunnen wirbt für Menschenrecht auf Arbeit

Auf dem Kleintransporter steht: "Schwarzarbeiter Schwarzarbeiter kriegst ein Wasser"

Über Arbeit diskutieren

„Jeder hat das Recht auf Arbeit und freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen“ – dieser Auszug aus den Menschenrechten ist auf Mijalkovics Transporter zu lesen. „Ein Schluck Wasser ist ein existenzieller Grundkonsens, den wir jenen entgegenbringen können, die für uns ohne jegliche Sozial-, Kranken-, oder Unfallversicherungen arbeiten“, meint er.

Auch in früheren Arbeiten hat er sich mit den Männern, die vor allem aus Osteuropa kommen, beschäftigt. Der in Mazedonien geborene Architekt kam 2001 für sein Studium nach Wien. 2016 ist eine Reihe von Alben entstanden, die geheime Aufnahmen der Schwarzarbeiter zeigen. Bei einer Gruppenausstellung im frei_raum Q21 zum 50-jährigen Jubiläum des Gastarbeiterabkommens zwischen Österreich und Jugoslawien positionierte er vor den Eingängen Schwarzarbeiter auf mannshohen Podesten.

„In einem Land, in dem es uns so gut geht wie in Österreich, sollten wir uns Zeit nehmen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen und die Arbeit als solches hinterfragen“, meint der 35-jährige Künstler. „Ich sehe nicht, wofür wir arbeiten. Auch etymologisch haben die Wörter für „Arbeit“ in allen europäischen Sprachen mit Plage, Mühe und Sklaverei zu tun“, führt er weiter aus. So nennen etwa die Männer vom „Arbeiterstrich“ ihre Auftraggeber „reiche Sklaven“ und sich selbst „arme Sklaven“.

"Arbeiterstrich": Busen-Brunnen wirbt für Menschenrecht auf Arbeit

Die Schwarzarbeiter warten an der Herbststraße oft tagelang, ohne Auftraggeber zu finden.

Brust als Symbol

Mit seinen Werken möchte er über all diese Themen Diskussionen anregen. Und das gelingt mit dem Busen-Brunnen besonders gut. Denn: "Er polarisiert und nur so kann unsere Demokratie funktionieren". Passanten springt die zwei Meter hohe Brust, die Mijalkovic von dem Bildhauer Johannes Falkeis anfertigen ließ, sofort ins Auge.

Beim ersten Anblick ist bei vielen Irritation zu erkennen. Selbst die Männer vom „Arbeiterstrich“ kichern, als Wasser aus der Brustwarze spritzt. „Die weibliche, entblößte Brust steht für Verletzlichkeit und gegenseitige Abhängigkeit zugleich“, versucht Mijalkovic zu erklären. Außerdem habe sie in der Kunstgeschichte, etwa in Form der „Maria lactans“, immer schon eine Rolle gespielt. Aus dem Kastenwagen ragend, sieht er die Brust "nicht unbedingt als Symbol für Weiblichkeit", sondern als "Brust des Kapitalismus, von welcher alle abhängig sind, die uns alle füttert". Bis 30. August möchte er damit WiensArbeiterstriche“ an der Herbststraße, der Triester Straße oder der Brünner Straße noch mit Wasser versorgen.

Konstantin Auer

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