Ehalt: „Nur nicht die Blutzufuhr zum Gehirn drosseln“

Ehalt: „Nur nicht die Blutzufuhr zum Gehirn drosseln“
Wiens Wissenschaftsreferent Hubert Christian Ehalt mit Staatspreis für Erwachsenenbildung ausgezeichnet

Wenn der US-Ökonom Joseph Stiglitz die Finanzkrise beleuchtet, habe ich sicher 1500 Anmeldungen“, sagt Hubert Christian Ehalt. Seit 26 Jahren referieren die klügsten Köpfe der Welt – Nobelpreisträger, Staatsmänner, Schriftsteller, Philosophen – im Wiener Rathaus. Vor Laien und gratis. Initiiert wurde das von Ehalt, dem Wissenschaftsreferent der Stadt Wien. Jetzt wurde der Historiker und Anthropologe von Bildungsministerin Claudia Schmied dafür mit dem Österreichischen Staatspreis für Erwachsenenbildung ausgezeichnet.

In der offiziellen Begründung liest sich das so: „Als Wissenschaftsreferent der Stadt Wien gelingt es ihm seit 1987 Woche für Woche, Persönlichkeiten des intellektuellen Lebens mit HörerInnen aller Alters- und Bevölkerungsgruppen zusammenzubringen, um nach Befunden und Analysen zu den großen aktuellen Themen und Problemen der Welt gemeinsam zu diskutieren. Die Wiener Vorlesungen sind niederschwellig, frei und kostenlos zugänglich, stets gut besucht und aus dem kulturell-geistigen Leben Wiens nicht mehr wegzudenken.“

Was ihm solch eine Auszeichnung bedeute? Ehalt zitiert den Mythos des Sisyphos: „Man rollt täglich einen Stein auf den Berg – ich bemühe mich, die Dinge wirksam und gut zu machen und da ist eine Würdigung eine Bestätigung. Und ich freue mich, weil es die Seele streichelt, wenn die Gesellschaft, für die man arbeitet, ein Feedback gibt: ,Das, was du hier tust, ist wichtig, und das brauchen wir.’“

Aufklärung

Sinn und Zweck der Wiener Vorlesungen: Das akademische Leben einzunisten. „Ich verstehe die Wiener Vorlesungen als Projekt der Aufklärung des 21. Jahrhunderts“, sagt Ehalt. „Ich kämpfe für eine offene Gesellschaft. Damit Menschen auf Augenhöhe symmetrisch kommunizieren können – Herzlichkeit, Solidarität, Kollegialität statt Hierarchie. Das möchte ich mit meiner Bildungsarbeit stärken.“

Was ihn umtreibt? „Die Frage: In welcher Welt leben wir?“ Und diese Frage versucht er mit seinen Wiener Vorlesungen immer aufs Neue zu beantworten. Nicht alleine: Prominente Denker stellen ihre Analysen und Einschätzungen zur Bewältigung der brisanten Probleme der Gegenwart zur Diskussion. Darin spiegelt sich auch der Grund, warum die Wissenschaft unbedingt mit ausreichend Mitteln ausgestattet werden muss, meint Ehalt: „Weil – das lehrt uns die Biologie – in schwierigen Zeiten alles gedrosselt werden darf und kann, nur nicht die Blutzufuhr zum Gehirn. Bis vor gut 100 Jahren lebten die Menschen noch hauptsächlich in Agrargesellschaften. Heute sind es Wissens- und Innovationsgesellschaften. Ich habe manchmal den Eindruck, die Botschaft, dass wir keine Agrargesellschaft mehr sind, ist noch nicht angekommen.“

Das Zusammenleben in sozialer Wohlfahrt gehe heute nur mehr mit Wissenschaft. „Es gibt kein Zurück in eine romantische, ruhige Welt ohne die wilde Dynamik, die Forschung und Innovation bringen“, sagt der neue Staatspreisträger.

Kommentare