Droht Kollaps im Gesundheitswesen?

Droht Kollaps im Gesundheitswesen?
Im Gesundheitsbereich gibt es einen Kampf um das Personal. Die SPÖ-Gewerkschaft ruft zum Protest im roten Wien auf.

Bernhard Harreither sieht wie jemand aus, der weiß, was er tut. Sanftes Auftreten und darum bemüht, sachlich zu argumentieren. Grantig wird der Gewerkschafter nur, wenn er davon erzählt, wie er und 32.000 seiner Kollegen im Wiener Gesundheitswesen "seit einem Jahr am Schmäh gehalten werden". Harreither spricht von "Täuschungsmanövern" und "Nebelgranaten", die vom Krankenanstaltenverbund (KAV) gestreut würden. Immer wieder fällt ein Slogan, der die roten Spitzen im Rathaus erschaudern lassen dürfte: "Dem Wiener Gesundheitswesen droht der Kollaps". Aus dem Mund eines roten Gewerkschafters im noch immer roten Wien ungewohnt harsche Töne. Die Frage lautet: Sind es auch die Richtigen?

Am Mittwoch wollen Harreither und Mitstreiter - erwartet werden bis zu 700 Mitarbeiter aus dem Gesundheitsbereich - gegen die Personalpolitik von KAV und Stadt demonstrieren. Vor den Augen der Genossen werden sie hinter dem Wiener Rathaus aufmarschieren.

Einwände wie jenen, dass in Wien im Schnitt mehr Ärzte und Pfleger im Einsatz sind als in jedem anderen Bundesland, lässt der Gewerkschafter nicht gelten. "Dafür verdienen sie auch nirgends weniger als in Wien."

Im Büro von KAV-Chef Wilhelm Marhold heißt es: "Unser Ziel ist es nicht, Personal abzubauen. Niemand wird seinen Job verlieren. Und wir schielen auch nicht nach dem Bundesschnitt." Immerhin kommen in Wien auf 100 Spitalsbetten 111 Pfleger. Österreichweit sind es nur 88. Vielmehr gehe es darum, Diensträder flexibler zu gestalten. "Die Gewerkschaft sollte sich fragen, ob sie wirklich gleichzeitig verhandeln und kampagnisieren will. Denn der Ton ist neu. Das gab's noch nie."

Schärfere Taktik

Droht Kollaps im Gesundheitswesen?

Und das kommt auch nicht von ungefähr. Bereits vor Wochen schickte Harreithers Team Fragebögen an die 32.000 KAV-Mitarbeiter, um nach Verhandlungsmonaten die Streikbereitschaft abzutesten. "Auch wenn Streik das letzte Mittel ist", sagt Harreither, "wollen wir klarmachen, dass es uns sehr ernst ist."

Daran zweifelt gegenwärtig ohnedies niemand mehr. Mit Argusaugen beobachten Politik und Management die neue Strategie der Personalvertreter. Harreither selbst nennt diese Strategie "Organizing" - eine tendenzielle Abkehr vom Verhandlungstisch hinaus auf die Straße.
Geht's am Ende vielleicht weniger um Inhalte als darum, neue Gewerkschaftsmitglieder zu gewinnen? "Das ist Blödsinn. Es geht darum, die Interessen von Pflegern und Ärzten bestmöglich zu vertreten. Und um nichts anderes."
Fortsetzung folgt.

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