Drei tote Frauen in Wiener Bordell: Es gibt eine Zeugin für die Bluttat
Samstagmorgen, Wien-Brigittenau. Vor dem kleinen Massagestudio, das Freitagnacht zu einem Tatort mit drei getöteten Frauen werden sollte, leuchtet des Geöffnet-Schild nach wie vor in auffälligem rot.
Auf der Homepage des asiatischen Bordells wird das Personal weiterhin als "zuckersüß" beschrieben. Xixi, Jimmy, Emi und Bella lauten die wohl unechten Namen der Damen, die dort ihre Dienste für 40 bis 499 Euro anbieten.
Realität ist: Drei dieser Frauen sind tot. Ermordet offenbar mit einem Messer eines 27-jährigen Mannes aus Afghanistan, der sich seit Freitagnacht in Haft befindet.
Ohrenzeugin befragt
Und eine von ihnen hat die Tat als Ohrenzeugin mitverfolgt. Das gab die Polizei am Samstag bekannt. Die vierte Mitarbeiterin des Asia Studios hatte sich in einem Zimmer eingesperrt. Den Verdächtigen selbst, hat sie nie zu Gesicht bekommen, aber die Schreie ihrer Kolleginnen vernommen. Sie soll nach der Tat schwer traumatisiert aus dem Bordell geflüchtet sein.
Der Verdächtige wurde nach der Tat mit leichten Verletzungen, die er sich beim Überlebenskampf mit seinen Opfern zugezogen hat, ins Spital eingeliefert. Bei seiner Festnahme soll er die Tatwaffe noch bei sich getragen haben.
Gefasst wurde er offenbar im Zuge einer Sofortfahndung in unmittelbarer Nähe zu dem Asia-Erotikstudio. Dabei versteckte sich der Mann offenbar in einem Gebüsch. Zur Festnahme kam es unter einer Brücke. Selbst als die Polizei eintraf, wollte er seine Waffe nicht weglegen. Die Beamten griffen daraufhin zu einem Taser.
Über das Motiv des Mannes, der seit 2022 einen Asylantrag in Österreich gestellt hatte, kann vorerst nur spekuliert werden. Eine Theorie: Der Mann soll das Erotikstudio als letzter Gast vor dem Mord betreten haben. Die Damen, die offenbar mit einer weiteren Frau dort anwesend waren, könnten ihn abgewiesen haben.
Eine Ehrenbeleidigung, die den 27-Jährigen rot sehen ließ. In blanker Wut soll er auf das Trio Dutzende Male eingestochen haben. Religiöse Motive werden von der Polizei hingegen so gut wie ausgeschlossen.
"Wie sich die Tat abgespielt hat, werden wir erst nach der Befragung des Verdächtigen beziehungsweise weiterer Zeugen wissen. Der 27-Jährige wird zur Stunde befragt", erklärte Polizeisprecher Philipp Haßlinger im KURIER-Gespräch.
Alle Hoffnungen setzen die Ermittler des Landeskriminalamtes Wien, Ermittlungsbereich Leib/Leben, dabei auf eine ebenfalls im Lokal anwesende Frau. Bei der Zeugin handelt es sich um eine dort arbeitende Frau. Sie wurde bereits einvernommen.
Bluttat im gesamten Erotikstudio
Die Tat soll sich nicht nur in einem Zimmer des Erotikstudios, sondern offenbar in mehreren Räumlichkeiten abgespielt haben. Ermittler sprechen von schrecklichen Bildern. Die Frauen sollen so schlimm zugerichtet gewesen sein, dass eine Identifizierung zunächst nicht möglich war.
Ob der 27-Jährige unter Drogeneinfluss stand oder wie sich die Tat genau abspielte, ist noch völlig offen.
Bereits am Freitagvormittag hatten sich die Ereignisse in Wien überschlagen. Kurz nach 7 Uhr gab es einen Mordalarm in Erdberg, die Leichen einer 51-jährigen Mutter und ihrer 13-jährigen Tochter wurden gefunden.
Im Fall der beiden ermordeten Frauen in Erdberg gilt der flüchtige Vater als dringend tatverdächtig.
Am Abend rückte die Polizei erneut zu dem Großeinsatz im Rotlichtmilieu aus. Mit diesem Fall wurden in Wien an einem einzigen Tag fünf Frauen ermordet.
Krisensitzung gefordert
SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner reagierte mit einem Appell an die Bundesregierung auf die jüngsten Femizide. Sie forderte in einer Aussendung eine Krisensitzung und einen Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz: „Wir trauern um die ermordeten Frauen, sind in Gedanken an die Hinterbliebenen und rufen auf, endlich einen Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz umzusetzen, um Frauenleben in Österreich zu schützen.“ Jede dritte Frau in Österreich sei von Gewalt betroffen, die Anzahl der Betretungsverbote steige jährlich, die Anzahl an Femiziden sei die höchste in Europa: „Es besteht dringender Handlungsbedarf.“
Ziel dieses Nationalen Aktionsplans Gewaltschutz müsse es sein, „einen permanenten Krisenstab von Justiz-, Frauen- und Innenministerium gemeinsam mit den Opfer- und Gewaltschutzeinrichtungen zu installieren und darüber hinaus flächendeckend Gewaltschutzambulanzen und regelmäßige multi-institutionelle bundesweite Gefährdungskonferenzen einzurichten“, sagte Holzleitner.
Schwarzer Tag
Die von Österreich ratifizierte Istanbul Konvention müssten ernst genommen und die darin festgelegten Maßnahmen umgesetzt werden. „Der gestrige Tag ist ein schwarzer Tag für Frauen in Österreich“, meinte Holzleitner abschließend.
Hilfe für Betroffene
In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, u. a. Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133.