Doppeltes Spiel mit den "Multikulti-Kindergärten"
"Tschuldigung, bin ein bisschen aufgeregt", bittet Abdullah P. das Schöffengericht um Nachsicht, weil er sich immer wieder in seinen Sätzen verhaspelt. Schüchtern und ernst gibt er sich – doch immer wieder huscht ein Lächeln über seine Lippen.
Der 32-Jährige scheint stolz zu sein auf das Kindergartennetzwerk, das er in Wien aufgebaut hat. Er bestreitet, jemals eine betrügerische Absicht gehabt zu haben. Am Dienstag, beim ersten Strafprozess rund um eine kriminelle Vereinigung, deren Kopf er sein soll, erzählt P. wortreich seine Geschichte. Mit 17 geheiratet, mit 18 zum ersten Mal Vater geworden und mit Anfang 20 ein gescheiterter Unternehmer, häufte er früh Schulden an. Seine Chance sah er, als er ein leer stehendes Gebäude in der Romanogasse im Bezirk Brigittenau entdeckte.
Der Eigentümer sei großzügig gewesen, habe ihm für einen geplanten Kindergarten das ganze Gebäude überlassen; den Umbau, Möbel und Spielsachen finanziert. Die 28.000 Euro Miete hätte er wohl nie zur Gänze zahlen können, habe aber auf Fördergelder der Stadt Wien gehofft. "Ich habe dem Vermieter mehrmals gesagt, dass ich kein Geld habe. Für ihn war das immer okay", erzählt P.
Mit dem Kinderbildungs- und Integrationszentrum legte der türkischstämmige Wiener 2013 der Grundstein für ein verzweigtes Netzwerk. P. soll Strohmänner eingesetzt und – so der Verdacht – Fördergelder in die eigene Tasche gesteckt haben. Dazu laufen noch die Ermittlungen. Am Dienstag ging es um das zweite Standbein von Abdullah P.: Wohnungen, die für die Multikulti-Kindergärten gemietet wurden, soll er an Asylwerber weitervermietet haben. Die Eigentümer sollen leer ausgegangen sein.
Keine Täuschung?
Beim Besitzer von Büros im Gasometer soll er sich mit gefälschten Förderverträgen für eine Bildungseinrichtung einen Investitionszuschuss in Höhe von 111.400 Euro erschwindelt haben. P. und seine Bürohilfe Silvia K. sind wegen gewerbsmäßig schweren Betrugs angeklagt. Beide bekennen sich nicht schuldig.
Eine Täuschung soll es laut P.s Anwalt Klaus Ainedter nämlich nicht gegeben haben. "Es war allen Beteiligten sonnenklar, dass kein Geld da ist", behauptet er in seinem Plädoyer. So sei das Verhalten des Vermieters in der Romanogasse nicht nachvollziehbar: "1,7 Millionen Euro Mietrückstand im Laufe von Jahren, das ist etwas für das Guinnessbuch der Rekorde." Dass es weder Mahnungen noch Delogierungsversuche gab, ließe auf eine Absprache schließen. Dasselbe vermutet Ainedter bei den anderen Mietobjekten: "Das waren Kategorie-C- oder -D-Wohnungen. Man war froh, dass überhaupt jemand drinnen war und man die Betriebskosten abdecken konnte."
Ebenso beim Gasometer, bei dem der Rechnungshof die vielen Leerstände kritisiert hatte. "Das mindert den Wert der Immobilie, also war man glücklich, den Herrn P. gefunden zu haben, der Leben hineinbringen wollte", erklärt Ainedter. Immobilienhaie also, die P. ausgenutzt und dann, als die Fördergeld-Causa im Dezember 2015 in den Medien aufpoppte, fallen gelassen haben – so die Strategie der Verteidigung.
Die Verhandlung wurde auf drei Tage ausgedehnt. Ainedter und Silvia K.s Anwalt Rudolf Mayer beantragten weitere Zeugen. Erwartet werden unter anderem die geschädigten Vermieter.
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