Donaustadt: Die Asperner und die "Esslinger Freaks"
Von den bis zu 130 Auftritten, die Martin „Soberl“ Sobotka mit seiner Band „Wiener Wahnsinn“ jährlich abspult, kann heuer pandemiebedingt keine Rede sein. „Wenn es hochkommt, werden es sechs bis sieben“, sagt er.
Kleines Trostpflaster: Soberl kann dadurch mehr Zeit an seinem Lieblingsplatz verbringen. Fast jeden Tag schippert er mit seinem Boot über die Untere Alte Donau – Zwischenstopps bei den Lokalen am Ufer inbegriffen. Praktischerweise bringen die Kellner Essen und Trinken gleich an Bord.
Bezirkshymne
Mit ihrer Hymne „Donaustadt“ sind Wiener Wahnsinn im 22. Bezirk längst Kult. Die fünfköpfige Rock-Formation begeistert aber auch außerhalb Wiens, ja sogar auf bayrischen Zeltfesten.
Das ändert nichts daran, wie eng Soberl mit seinem Heimatbezirk verbunden ist: Aufgewachsen in Aspern, wohnt er heute noch im Nachbarhaus seiner Mutter. „Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo anders hinzuziehen. Ich mag das ländliche Flair des Bezirks.“
Bezirksteile wie zum Beispiel Aspern, Hirschstetten oder Essling hätten ihren dörflichen Charakter bis heute erhalten – mit allem, was dazugehört: Erntedankfeste oder Fußballvereine etwa. In Breitenlee und Süßenbrunn gibt es sogar eigene Freiwillige Feuerwehren.
„Es werden bei uns alle Klischees erfüllt: Am Sonntagvormittag trifft man sich zum Frühschoppen auf dem Fußballplatz. Um 12 Uhr läuten die Glocken. Dann müssen alle heim, wo das Essen wartet“, erzählt der Musiker.
Und es ist wohl auch diesem speziellen Lebensgefühl zwischen Stadt und Land zu verdanken, dass ausgerechnet ein waschechter Asperner wie Soberl ein Essling-Tattoo auf seinem linken Oberarm trägt. Dazu kam es wegen einer verlorenen Wette: Soberl hatte es seinen „Freunden“ aus Essling nicht zugetraut, 5.000 Likes für eines seiner Facebooks-Posts zu sammeln. Was diesen aber im Handumdrehen gelang: „Da waren halt auch gekaufte aus Bangladesch dabei.“
Dazu muss man wissen: Beide Bezirksteile pflegen seit Ewigkeiten eine handfeste, aber liebevolle Rivalität. Deshalb kam auch schon einmal der Asperner Maibaum auf mysteriöse Weise abhanden. Und Soberls Band hat den „Esslinger Freaks“ in ihrem Donaustadt-Song ein Denkmal gesetzt.
Genauso wie dem Café Hummel – eine Art Hauptquartier der Band und nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Lokal im 8. Bezirk. „Es kommt schon vor, dass unser Hummel in Reservierungen untergeht, wenn wir dort einen Auftritt haben.“
Gerne sitzt Soberl auch bei den „Brandinesern“, die es in der Donaustadt noch gibt, hört den Gästen zu, und lässt sich so für neue Songs inspirieren – wenn auch nicht für alle: Der Hit „Deppert sein“ zum Beispiel habe eher autobiografische Züge, räumt der 46-Jährige ein.
Seit einigen Jahren macht sich Soberl aber zunehmend Sorgen um die Gastronomie: „Viele Lokale verschwinden, weil die Häuser gewinnbringend an Bauträger verkauft werden.“ Auch die lokalen Nahversorger würden immer weniger, was vor allem für ältere Menschen ein Problem sei.
In der Tat verändert sich in Wiens flächenmäßig größtem Bezirk – er misst 102,29 Quadratkilometer – vieles: Kein anderer Bezirk hat ein so starkes Bevölkerungswachstum. (Und dafür ist nicht nur die Seestadt Aspern verantwortlich, in der im Endausbau 20.000 Menschen leben sollen.) Der enorme Zuzug sorgt für Verkehrsprobleme – eine der wichtigsten künftigen Herausforderungen.
„Als ich klein war, war die Seestadt noch eine Gstätten, wo wir herumgeradelt sind“, erinnert sich Soberl. „Ich würde mir nur wünschen, dass die Donaustadt ihren ländlichen Charme behält.“
Asperner Löwe
Das steinerne Denkmal erinnert an die Schlacht von Aspern und Essling am 21. und 22. Mai 1809, bei der Erzherzog Karl den Franzosen unter Napoleon ihre erste Niederlage zufügen konnte. Die Freude währte nur kurz: Wenige Wochen später unterlagen die Österreicher in der Schlacht bei Wagram
Prominene Donaustädter
Mit David Alaba (geb. 1992) stammt einer der aktuell erfolgreichsten heimischen Fußballer aus der Donaustadt. Seine sportliche Karriere startete er beim SV Aspern. Über Österreichs Grenzen hinaus bekannt ist auch Hip-Hopper Yung Hurn (eigentlich Julian Sellmeister, geb. 1995). Er stammt aus dem Bezirksteil Hirschstetten, sein Debütalbum heißt „1220“
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