Die Wiederbelebung des Kinos
Es riecht "nach neu", im Admiral Kino in der Wiener Burggasse. Seit vier Uhr Früh sind die Arbeiter an diesem Tag im Einsatz: Sie bauen die neuen Stühle in den einzigen Saal des alten Kinos ein. Der Bezug ist knallrot, so wie das Leder der Sitzbänke im Foyer. Dass in dem alten Lichtspiel tatsächlich etwas erneuert werden kann, liegt daran, dass Geschäftsführerin Michaela Englert in den vergangenen Jahren gar nicht so schlecht verdient hat. "Unsere Besucherzahlen haben sich verdreifacht", sagt Englert. Als sie das Kino 2007 übernommen hat, kamen jährlich etwa 10.000 Besucher. Im Jahr 2016 waren es 24.000.
Erlebnis-Kino
Und das Admiral Kino (7., Burggasse 119) ist nicht das einzige der kleineren Programmkinos, die an Besucherzahlen zugelegt haben. Das Filmcasino in Margareten (5., Margaretenstraße 78) hat 2016 mit 75.000 Besuchern einen Rekord aufgestellt. Im Jahr 2012 kamen noch 60.500 Besucher, seitdem ging es kontinuierlich bergauf. Und auch im Gartenbaukino (1., Parkring 12) gingen die Besucherzahlen in den vergangenen Jahren stetig nach oben. 2007 kamen 30.000 Besucher, 2013 waren es 50.000, 2016 60.000.
War es das also mit dem viel beschriebenen Lichtspielesterben der vergangenen Jahre? "Das Kinosterben kam immer in Wellen", sagt Gartenbau-Geschäftsführer Norman Shetler. "Jetzt habe ich das Gefühl, dass sich die Kinos wiederbelebt haben. Sie sind relevanter als vor sieben oder acht Jahren."
Allerdings habe sich die Art und Weise des Besuchs verändert. "Das Kino darf heutzutage nicht nur Film abspielen", sagt Shetler. Kino müsse ein Erlebnis sein. Deswegen veranstaltet das Gartenbaukino Matinees, Film-Events, Retrospektiven: Rund um den Valentinstag etwa wurde eine Woche lang "Casablanca" gezeigt. Die Besucher sind gekommen, unter anderem, weil sich die Tochter eines Darstellers für ein Filmgespräch zur Verfügung stellte.
Auch im Filmcasino geht es längst nicht mehr nur darum, Filme zu zeigen: "Das Ganze muss stimmig sein", sagt Geschäftsführerin Sabine Hofmann. "Kino-Besuche gewinnen an Qualität" – durch Regie-Gespräche, Spezial-Vorführungen und durch Details: Hofmann etwa serviert im Filmcasino nun Kaffee von der Kaffeefabrik im vierten Bezirk.
Für kleinere Kinos – besonders für Nachspielkinos wie Filmcasino oder Admiral – brachte die Digitalisierung Vorteile. Die Verleiher erlauben jetzt nicht mehr nur ausgewählten Kinos, ihre Filme abzuspielen. Kopien sind digital einfach leichter zu verborgen, und auch das Kino zu programmieren wurde so einfacher: "Ich könnte es mir nicht leisten, drei Wochen lang denselben Film zu zeigen", sagt Michaela Englert. Wenn der dem Publikum nicht gefällt, sind die Einnahmen aus drei Wochen dahin.
Publikum altert
Bei all den positiven Nachrichten bleibt trotzdem ein fahler Nachgeschmack: Erst kürzlich wurde bekannt, dass das Stadtkino den Standort im Filmhaus schließen und sich auf jenen im Künstlerhaus zurückziehen musste. Betreiber Claus Philipp klagte im KURIER über geringe Subventionen, hohe Investitionskosten und Sonderausgaben.
Nur Norman Shetler vom Gartenbaukino schöpft noch ein bisschen Hoffnung, weil zuletzt erstaunlich viele 20-Jährige zu einer Stanley Kubrick-Retrospektive kamen: "Ich hoffe, dass das alles nicht nur eine Retro-Trend-Welle ist", sagt Shetler.
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