Die U6 ist sicherer als ihr Ruf

Die Bereitschaftseinheit nahm die Männer fest.
2300 Polizeieinsätze bei 75 Millionen Fahrgästen, aber nur 593 Strafanzeigen.

Es ist ein europaweites Phänomen: Statistisch gesehen sind öffentliche Verkehrsmittel weniger von Kriminalität belastet, als andere öffentliche Räume. Dennoch nimmt das Unsicherheitsgefühl von Fahrgästen kontinuierlich zu.

Als Belästigung werden Pöbeleien und Drogenhandel genannt. Besondere Verunsicherung rufen jene Fälle hervor, wie die Vergewaltigung in einem Waggon der U6 im Vorjahr. Dem gegenüber steht nun eine neue Analyse der Wiener Polizei, die zeigt, dass die Anzahl der Vorfälle im Vergleich zu den beförderten Personen marginal ist.

Wegen einer parlamentarischen Anfrage hat sich die Analyseabteilung der Polizei die Arbeit gemacht, aus dem elektronischen Einsatzleitsystem alle Vorfälle des Jahres 2013 in der Linie U6 auszuwerten. Das Ergebnis liegt dem KURIER nun vor.

Laut Wiener Linien werden pro Jahr mit der U6 insgesamt 75 Millionen Fahrgäste befördert. Der Polizei-Sicherheitsmonitor wirft für das Jahr 2013 nur 2306 Einsätze auf. Das heißt, dass statistisch gesehen nur einer von 32.500 Fahrgästen den Notruf wählt.

Die U6-Stationen mit den meisten Polizeieinsätzen

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WIEN: U6-STATION JOSEFSTÄDTER STRASSE
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WIEN: FAMILIENVATER MIT MESSER NIEDERGESTOCHEN
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Westbahnhof…
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Streitschlichtung

Meistens handelt es sich um Einsätze geringer Natur, wegen Missverständnissen oder zur Streitschlichtung. Es wurden nur 593 Strafanzeigen erstattet. Die geringe Intensität ist auch aus der Zahl der eingesetzten Beamten abzuleiten. Beispiel U6-Station Dresdner-Straße: Dort gab es 73 Einsätze mit 99 Beamten. Das bedeutet, dass in 47 Fällen Beamte einzeln einschritten, weil der Anlassfall gering war – und nur in 26 Fällen wurde eine Doppelpatrouille geschickt. Aus diesen Einsätzen resultierten wiederum 33 Anzeigen.

Die U6 ist sicherer als ihr Ruf
Wiener Linien Handelskai "Nicht gefährlich"

Etwas härter geht es bei der Station Josefstädter Straße zu: Dort wurden für 385 Einsätze 660 Beamte benötigt – folglich fast in jedem Fall eine Doppelpatrouille. Es gab 92 Anzeigen. In der Josefstädter Straße sind – wegen des dort ansässigen sozialen Tageszentrums – vor allem Obdachlose und Drogensüchtige das Problem.

Sehr unterschiedlich sind auch die Einsatzzeiten. Während es beispielsweise in den Abendstunden des 13. Dezember zu einer Häufung von sechs Einsätzen kam, passierte in den neun darauf folgenden Tagen gar nichts.

Von auffälligen Drogenkranken erzählen auch Fahrgäste, als sich der KURIER am Dienstagabend auf eine U6-Tour begibt. "Die sitzen hier und schreien herum, aber die tun mir ja nichts", erzählt zum Beispiel Fahrgast Roland F. Laut der Polizei ist auch der Handelskai einer der Hotspots in punkto Kriminalität. Am Vorplatz der U6-Station trifft der KURIER Anna, Verena und Alice. Trotz der späten Uhrzeit treffen sich die jungen Frauen um 20.30 Uhr bei der Station. Angst haben sie nicht: "Wir fürchten uns eigentlich nicht. Man sieht auch oft Polizisten. Wenn etwas passieren würde, wären die gleich hier." Diese Aussage wird von zwei Streifenbeamten untermauert, die zu dem Zeitpunkt zufällig vorbeikommen.

Trotzdem gibt es auch Fahrgäste, die sich belästigt fühlen. Manuel H. wohnt an der U6-Station Dresdner Straße und sah sich schon öfter unangenehmen Situationen ausgesetzt. Gleich mehrmals wurde H. von Dealern angesprochen – zu zwar in der U-Bahn. Obwohl er seine kleine Tochter Anna am Arm hatte, stiegen die Männer mit ihm in die Garnitur ein und wollten ihm dort Drogen verkaufen. "Die sind nicht einmal davor zurückgeschreckt, dass ich mein Kind dabei habe. Was soll ich denn meiner Tochter sagen, wenn die mich fragt was die Männer wollen?", empört sich Manuel H.

Stationswarte

Wenn die Drogendeals in den Stationen nicht mehr möglich sind, suchen sich die Dealer also offenbar Alternativen und dealen in den Zügen. Die Wiener Linien antworten mit einem Ausbau der Videoüberwachung. "Wir erweitern laufend. Zusätzlich haben wir entlang der U6 zehn Stationswarte und setzten immer mehr auf mobiles Personal in den Zügen", kontert Wiener Linien Sprecherin Anna Maria Reich.

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Die Schwarzfahrer-Gruppe fuhr gemeinsam jede der 104 U-Bahn-Stationen in gesamt fünf Stunden 33 Minuten und 36 Sekunden ab. Natürlich ohne Fahrschein. Gag dabei: Im Internet dokumentierten die jungen Männer mit professionell geschossenen Fotos und Videos ihre Rekordfahrt.

Wie in der U-Bahn-Zeitung Heute kolportiert, fahren die zehn Passagiere seit etwa 20 Jahren kollektiv ohne Ticket durch die Stadt. Als die Chefetage der Wiener Linien die Fotos – just in der U-Bahn-Zeitung – sah, bestand plötzlich Handlungsbedarf. Answer Lang, Sprecher der Wiener Linien: "Wir kennen diese Herren bereits. Denn sie wurden beim Schwarzfahren auch schon erwischt. Wir nennen sie daher unsere 103-Euro-Kunden." Nachsatz: "Die jetzt veröffentlichten Fotos helfen natürlich, die Schwarzfahrer-Truppe zu identifizieren."

Dienstag versuchten Juristen des Unternehmens eine rechtliche Handhabe gegen die Truppe zu finden. Laut Wiener Linien begaben sich die jungen Männer bei einigen Foto-Sujets in große Gefahr. Lang: "Sie stehen viel zu nahe an den Schienen. Fällt man in die Schienenbucht, kann es einen Stromschlag mit 750 Volt geben. Und der wäre tödlich." Die Wiener Linien recherchieren jetzt wegen "bewusst herbeigeführter Gefährdung".

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