Ein fehlendes Klo brachte alles ins Rollen. Weil Moritz Baier in seinem Mode-Store "Use A Brand" in der Zollergasse in Wien-Neubau keines hatte, musste er in die gegenüberliegende Pizzeria ausweichen. Nach einigen Klo-Gängen wussten Moritz Baier (35) und sein Kompagnon Daniel Botros (33), dass aus dieser Pizzeria mehr zu machen ist. Nicht einmal eine Woche überlegten die beiden, dann übernahmen sie das Lokal.
Das war im Jahr 2012. Aus der ehemaligen Pizzeria wurde das Café "Liebling", aus dem Mode-Store die Bar "Ganz Wien", beide in der Zollergasse. Die Bar, benannt nach Falcos Hit, ist das vierte Lokal, das Moritz Baier und Daniel Botros gemeinsam betreiben – innerhalb einer Luftlinie von nicht einmal einem Kilometer: Denn auch die "Schadekgasse 12" – ein Café in Mariahilf – und der Konzept-Store "Burggasse 24" (ebendort) wird von den beiden geführt. Damit prägen Baier und Botros das Grätzel, wie es vor Jahrzehnten die Eröffnung des Café Europa in der Zollergasse tat.
Aus Überzeugung
"Wir machen das aus Spaß an der Sache", sagt Moritz Baier. Rein wirtschaftlich argumentiert, sagen sie, hätten sie nach dem zweiten Lokal aufhören müssen. "Aber den Traum, eine Bar zu eröffnen, den träumt doch jeder einmal", sagt Daniel Botros.
Die beiden sind Quereinsteiger. Botros hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert; Baier war an der Graphischen und ist gelernter Fotograf. Beide wollten irgendwann einfach "mehr mit Menschen zu tun haben". Das scheint zu funktionieren: Es vergehen keine fünf Minuten, an dem die beiden, im eigenen Schanigarten sitzend, nicht angesprochen werden. Auf das "Hallo" folgt "Na, wie geht’s euch?" sowie "Und? Wie lang hat’s gestern gedauert?" Während sich die beiden Vanille-Spritzer genehmigen, winkt ein junger Mann vom Fenster gegenüber herunter. "Der wohnt in der Künstler-WG oberhalb vom Liebling", sagt Baier. Aus einem WG-Fenster hängt auch eine Taube aus Stoff in den Eingang des Cafés hinunter – in Anlehnung an dessen Logo.
Arbeitsteilung
Botros und Baier teilen sich ihre Arbeit gut auf. Botros hat mehr das Wirtschaftliche im Blick. "Der Moritz hat dafür ein Auge für das, was kommen wird", sagt Botros. Baier war es, der die Vintage-Möbel zuerst ins "Liebling", dann in die Burg- und in die Schadekgasse und schließlich auch ins "Ganz Wien" gebracht hat. Er ist es auch, dem die Lichtstimmung in den Lokalen wichtig ist ("noch ist es in der Bar ein bisschen zu hell") und dem auffällt, dass ein hängender Obstkorb mit nur einer Orange darin nicht so gut ausschaut, wie ein Korb voller Orangen und Zitronen.
Was beide wussten, ist, dass die Zollergasse großes Potenzial hat, und dass es nur gut sein kann, wenn man sich neben einer Institution wie dem Café Europa niederlässt. "Für mich ist das Herz von Wien nicht mehr der erste, sondern der siebente Bezirk", sagt Botros. Und die Zollergasse sei so etwas wie ein Wohnzimmer.
Dass Botros und Baier das Grätzel geprägt haben, hat man auch in der Bezirksvorstehung bemerkt: "Zuletzt hat das das Café Europa in so einem Ausmaß geschafft", sagt die stv. Bezirksvorsteherin Isabelle Uhl.
Vorsatz für 2017 haben Botros und Baier nur einen: "Einmal kein Lokal eröffnen."
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