Die Grüne im Gast-Garten

Die Grüne im Gast-Garten
Wiens Vizebürgermeisterin Vassilakou "entschleunigt" beim Garteln - aber kommt kaum noch dazu, mit ihrem High-Speed-Amt.

Sie hat es immer noch nicht bekommen, dabei könnte sie es gut brauchen. "Vielleicht ja zu Weihnachten", sagt Maria Vassilakou. Die Grüne wünscht sich ein T-Shirt mit dem Aufdruck: "Jetzt nicht". Seit neun Monaten ist sie Wiener Vizebürgermeisterin, das hat Spuren hinterlassen: "Ich komm' zu nix mehr. Nur Arbeiten, Schlafen, Lesen, manchmal Kochen."

Vassilakou kommt auch kaum noch zu einer Freizeitbeschäftigung, die ihr eigentlich sehr wichtig ist: Garteln. Der eigene Garten ist verwildert und für Fremde tabu, also lädt sie in einen Gemeinschaftsgarten im Augarten im zweiten Bezirk, den sie gerne besucht, wie sie sagt - und macht so gleich Werbung für das Projekt.

Das Private ist also auch politisch, wenn es um Harke und Gießkanne geht statt um Herd und Quote: "Solche Projekte sind eine Art, die Stadt für sich zu nutzen. Ich rede derzeit mit Widmungsabteilungen und Bauträgern. Zwischen Abriss und Neubau könnte man Brachflächen für Gärten nutzen. Besser als ein Abstellplatz für Gebrauchtwagenhändler."

Mehr Zeit

Der Garten leuchtet grün, links und rechts sprießen die Pflanzen aus dem Boden. Nachdem Vassilakou ihr E-Bike abgeschlossen, die Pflanzen beschnuppert, bestaunt und begossen hat, erklärt sie bei dieser Gelegenheit gleich die Eigenheiten der Paradeiser-Sorten. "Die da kann man eigentlich nur für Konserven nehmen", sagt sie mit Blick auf eine Staude. "Mein Garten daheim schaut traurig aus. Deshalb komm ich hier her, wenn ich ein bissel Freizeit hab'. So etwas ist für Städter die einzige Möglichkeit, ein Stück Landurlaub in die Stadt zu holen." Beim Garteln schaltet sie ab.

"Das ist wie beim Kochen, man ordnet Gedanken, baut den Stress ab. Und es ist eine Geduldsübung. Die Pflanzen wachsen nicht schneller, nur weil man es gern hätte. Es ist kein Zufall, dass so viele Politiker gern Kochen und Gärtnern." Ausgleich im Extremsport ist ihr fremd, sie will "Entschleunigung": "Meine Arbeit ist speedy genug. Da muss ich nicht daheim auch noch was tun, das mich stresst."

Mehr Meer

Die Grüne im Gast-Garten

Vassilakou geht "sehr gerne" im Wienerwald spazieren, die österreichische Wanderlust hat die gebürtige Griechin aber nie gepackt: "Ich bin mit 18 nach Österreich gekommen, seine Gewohnheiten und Hobbys hat man da bereits. In 25 Jahren hier hab' ich mit Freunden viel probiert, aber die Frage ist: Zieht es mich in die Berge, aus eigener Motivation?" Tut es nicht.
"Mich drängt es ans Wasser. Ein Buch am Ufer lesen, ein Sonnenuntergang. Surfen ist für meine Generation in Griechenland so normal wie für Österreicher Skifahren. Ich war jede freie Minute in der Kindheit am Wasser." Am meisten vermisst sie deshalb auch das Meer.
"Es ist immer möglich, mal ans Wasser zu fahren. Donauinsel, Neusiedler See, das ist super. Ich liebe Wien. Aber das Meer ist eben das Meer."

Aber wenn der eigene Garten sogar unter dem Amt leidet, wie will sie da ihre Sehnsucht nach mehr Meer stillen? "Ich bin zwar ein Workaholic. Aber das ist das erste Jahr. Da muss man viel auf Schiene bringen, sich in Bereiche einarbeiten. Wenn wir als Team und ich als Person routinierter sind, bleibt auch mehr Freizeit. Wenn ihr in ein paar Jahren wiederkommt, dann können wir am Neusiedler See surfen. Oder ich hab' dann zumindest wieder meinen eigenen Garten."

Vassilakou: Vize in Wien statt in Athen
Maria Vassilakou wurde 1969 in Athen geboren, 1986 übersiedelte sie nach Wien. Neben ihren Dolmetsch- und Linguistikstudien war sie in der Hochschülerschaft aktiv; 1995 wechselte sie in den Grünen Klub im Rathaus. 2005 war sie erstmals Spitzenkandidatin in Wien. 2009 bot ihr der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou den Posten als griechische Vize-Umweltministerin an. Sie lehnte ab - und wurde 2010 Wiens erste Grüne Vizebürgermeisterin. Ihre Agenden: Stadtentwicklung, Verkehr, Klima, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung. Vassilakou ist seit 1995 mit dem PR-Berater Bernd Matouschek verheiratet, sie leben im 17. Bezirk.

Kommentare