Hinter der SPÖ präsentiert sich Wien als geteilte Stadt und SPÖ und FPÖ sind erneut die Lieblinge der Migranten. Die spannendsten Details rund um die Wahl.
An der SPÖ führte am Wahlsonntag kein Weg vorbei: Die Partei von Bürgermeister Michael Ludwig siegte (mit leichtem Minus) nicht nur stadtweit, sondern holte sich bei der Gemeinderatswahl auch in allen 23 Bezirken den ersten Platz – also auch in jenen sechs Bezirken, in denen grüne oder türkise Bezirksvorsteher im Amt sind. Die politische Landkarte bleibt demnach (tief-)rot. Und doch ermöglicht ein genauerer Blick auf den Wahlausgang spannende Analysen zu den politischen Verhältnissen in der Stadt.
Hinter der SPÖ präsentiert sich Wien als geteilte Stadt Die SPÖ konnte in einer Vielzahl der Sprengel ihre Vorherrschaft behaupten oder ausbauen. Erst mit Blick auf die Zweitplatzierten zeigt sich, wohin die Wiener politisch tendieren: Innerhalb des Gürtels sind nahezu alle Sprengel grün eingefärbt – außerhalb des Gürtels, in den Flächenbezirken, in denen hoher Migrationsdruck herrscht, dominiert die FPÖ.
Spannend sind auch die Ausreißer, die sich aber nur bei einem genauen Blick auf die Karte zeigen: Die ÖVP schafft es nur in den Sprengeln in und rund um die Innere Stadt sowie in Hietzing und im noblen Döbling auf den zweiten Platz. Dort, wo die ÖVP mit
28 Prozent der Stimmen in Döbling sogar den ersten Platz erringen konnte – im Sprengel 19045, in dem Cobenzl und Krapfenwaldbad liegen –, schaffen es die Neos auf den zweiten Platz.
SPÖ und FPÖ sind erneut die Lieblinge der Migranten Die SPÖ hat auch bei der jüngsten Wahl ihren Ruf als Migrantenpartei verteidigt: Wie eine Wahlanalyse des Meinungsforschungsinstitut OGM ergab, haben 46 Prozent der in der Türkei geborenen Wiener die SPÖ gewählt; bei den in den ex-jugoslawischen Staaten geborenen Wienern sind es 44 Prozent. Beide Gruppen haben also überdurchschnittlich zum Wahlerfolg von Michael Ludwig beigetragen. Vor allem die Ex-Jugoslawien-Community ist zahlenmäßig ein relevanter Faktor.
Nicht umsonst hat auch die FPÖ beide Gruppen schon vor längerer Zeit für sich entdeckt – und kann sogar punkten. Auch sie liegt bei beiden Wählergruppen in der Gunst höher als bei Wienern ohne Migrationshintergrund. Und das, obwohl sie auch in diesem Wahlkampf nicht mit ausländerfeindlichen Tönen sparte. Gesellschaftspolitisch steht die konservativ geprägte türkische Community der FPÖ näher, als man glaubt.
Ausreißer ist die Kleinpartei SÖZ, die vorwiegenden aus der türkischen Community heraus entstanden ist: Sie konnte in der türkischstämmigen Community ganze 17 Prozent der Stimmen für sich verbuchen.
Gebildete für Neos und Grüne; Gemeindebau bleibt rot-blau Mehr als ein Fünftel der Wiener wohnen in den 1.800 Gemeindebauten und bilden so eine große Wählergruppe, um die erneut SPÖ und FPÖ ritterten. Nach OGM-Berechnungen erreichten die Sozialdemokraten unter Gemeindebaubewohnern 47 Prozent der Stimmen, die Freiheitlichen 30 Prozent. Beide schnitten in dieser Gruppe also überdurchschnittlich ab. Die SPÖ verzeichnet aber Verluste: Im Jahr 2020 holte sie mit 51 Prozent unter den Gemeindebaubewohnern noch die Absolute.
In einer anderen Gruppe – bei den Maturanten und den Wählern mit Uni-Abschluss – punkten hingegen Grüne und Neos überdurchschnittlich stark. Es gilt: Je höher der Bildungsgrad, desto höher die Zustimmung zu den beiden Parteien. Bei den Akademikern kamen die Grünen auf 26 Prozent, die Neos bei 16 Prozent.
Die KPÖ schadete vor allem den Grünen, nicht der SPÖ Die Angst der Sozialdemokraten, bei der Wahl an die erstarkende KPÖ zu verlieren, hat sich als unbegründet herausgestellt. Die KPÖ, die auf vier Prozent der Stimmen kam, rekrutierte ihre Wähler zu gleichen Teilen aus ihren eigenen Wählern von 2020 und aus dem Lager bisheriger Grün-Wähler – und zwar zu je 29 Prozent. Das ergibt die Wählerstromanalyse von Foresight. Ein geringerer Anteil, nämlich elf Prozent, speist sich aus einstigen SPÖ-Wählern. Die Zahl der Wähler, die sich für konservative oder rechte Parteien begeistern können, ist bei der Wahl übrigens in Summe nicht gewachsen: Die FPÖ (s. unten) speist ihren Zuwachs am stärksten aus einstigen ÖVP-Wählern; im Umkehrschluss wanderten die meisten bisherigen ÖVP-Anhänger zu den Blauen ab.
Fazit: Die Wahl rückt die Wiener Verhältnisse gerade Bleibt die Frage: Sind die Verschiebungen zwischen ÖVP und FPÖ spektakulär? Nein. Vielmehr rücken sie die (üblichen Wiener) Verhältnisse gerade – und führen zurück in die Zeit vor 2020.
Genau dieses Jahr war nämlich wahltechnisch geprägt von Abnormalitäten: Die FPÖ (damals nur bei sieben Prozent) zerbröselte es im Nachgang des Ibiza-Skandals. Und die ÖVP (20,4 Prozent) reüssierte nur aufgrund des Hypes rund um den damaligen türkisen Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen Intimus Gernot Blümel die Wiener Stadtpartei anführte.
Im Jahr 2015 herrschten in der Bundeshauptstadt noch „normale“ Größenverhältnisse: Die ÖVP lag (nahe dem jetzigen Ergebnis) bei 9,2 Prozent – die Blauen kamen, damals noch unter ihrem Parteichef Heinz-Christian Strache, auf 30,8 Prozent. So gesehen liegt die FPÖ trotz riesiger Zuwächse von ihrem einstigen Rekord noch weit entfernt.
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