Neubau: Wie ein Bezirk hippe und junge Bewohner anzieht

Neubau: Wie ein Bezirk hippe und junge Bewohner anzieht
Seit 24 Jahren in grüner Hand, ist die Bezirksspitze auch nach der Wahl unverändert. Was die Menschen in Neubau bewegt, hat sich der KURIER bei einem Lokalaugenschein angesehen.

Ein älterer Herr steigt mit Marken-Fischerhut, spiegelnder Sonnenbrille und Jutebeutel in die Straßenbahn. Gewiss ein untypisches Ensemble in Sachen Kleidung für seine Altersgruppe – nicht so für Wien-Neubau.

Der siebente Bezirk ist bekannt für die vielen Cafés und coolen Geschäfte. Unterwegs ist man meist mit dem Fahrrad oder zur Fuß, sind doch viele betonierte Ecken möglichst grün bepflanzt und verkehrsberuhigt.

„Ich nenne den Bezirk gerne mein Wohnzimmer“, sagt Martin (29). Theoretisch müsse er das Grätzl gar nicht verlassen, weil es hier ohnehin alles gebe. Und das ziehe die Menschen an. „Ich glaube, dass der Bezirk gerade für junge Menschen interessant ist, weil sich hier viel tut.“ Einziges Manko im Bezirk sei der begrenzte Grünraum.

Anders ist das politisch: Da sei das grüne Pflaster – Neubau wird seit 24 Jahren von den Grünen regiert – durchaus ein Attraktionsfaktor: „Es gibt viele Menschen mit künstlerischen Berufen, junge Eltern und Studierende. Das zieht Leute an, die ähnlich denken.“

Grüne Hochburg bleibt

Neben den pinken und roten Regalen eines hippen Geschäfts in der Neubaugasse zeichnet Fiona ein ähnliches Bild vom Bezirk: „Die Atmosphäre ist sehr entspannt und offen.“ Das sei über die Bezirksgrenzen hinweg bekannt und einer der Gründe für das abermals grüne Wahlergebnis, vermutet sie. Am Wahlsonntag konnte Bezirkschef Markus Reiter mit 48,13 Prozent ein Plus von 3,23 Prozentpunkten zu 2020 erzielen. Weit dahinter liegt die SPÖ mit einem Abstand von über 20 Prozent (20,40 Prozent) auf Platz zwei. Die Grünen bleiben in ihrer Hochburg klar die unangefochtene Nummer eins.

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Viele Cafés und Lokale - wie das Espresso - mit Schanigärten laden in Neubau zum verweilen ein.

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Von Platten-, Bier- bis zum Fotogeschäft findet jeder und jede im 7. Bezirk seine Nische. "Kitsch Bitch" in der Neubaugasse ist vor allem beim jungen Publikum beliebt.

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Martin (29) ist einer der Bewohner des siebenten Bezirks.

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Eine Sperrmüll-Aktion wünscht sich Michael (65), da viele Menschen im Bezirk kein Auto besitzen.

„Dämpfer verpassen“

Einer, der davon langsam genug hat, ist Michael (65): „Die Grüne brauchen einen Dämpfer in Neubau“, sagt er zum Bezirksergebnis. Das Neubauer Kardinalproblem – der Verkehr – ist immer noch ungelöst: „Man kann nicht alle Autos verbannen. Da braucht es eine andere Lösung“, ist er überzeugt. Ein Nebeneffekt von autofreien jungen Menschen sei falsch entsorgter Sperrmüll – vor allem in Innenhöfen. Michales Wunsch an die neue, alte Bezirksvorstehung: „Eine Sperrmüllcontainer-Aktion zweimal im Jahr wäre da schon eine Verbesserung.“

Vor dem Urnengang

Politisch ist es dem 65-Jährigen „zu grün“, er schätze aber die „Grätzelgespräche“, bei denen man sich mit Reiter austauschen kann. Erwischt man ihn dort nicht, dann eventuell anderswo im Bezirk: „Er schaut immer mal wieder in den Lokalitäten vorbei“, erzählt Sabine (53), Angestellte in einem Plattengeschäft.

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Grüne Wahlwerbung

In Kontakt mit der potenziellen Wählerschaft trat der Bezirksvorsteher auch am Sonntag vor dem Urnengang. Wie für Neubau typisch, auf eine eher unkonventionelle Weise: Mit handgeschriebenen Klebezetteln an den Eingängen wandte er sich an die Bevölkerung. Nicht erfreut über den Klebezettel – und das Wahlergebnis – zeigt sich eine Bewohnerin: „Finde ich beides nicht gut.“

Klarheit: Die wichtigsten Begriffe

Die Grünen stehen für die Grüne Alternative. Gegründet wurde die Partei 1986 als Zusammenschluss der konservativen Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) und der progressiveren Alternativen Liste Österreichs (ALÖ). Parteifarbe ist Grün. Ihre Wurzeln hat die Partei in der Widerstandsbewegung der 1980er-Jahre gegen das Kraftwerk in Hainburg und das Atomkraftwerk in Zwentendorf. Politisch stehen die Grünen links außen. Sie treten für Ökologie, den Schutz von Minderheiten und für Migration ein. In Wien waren die Grünen von 2010 bis 2020 Koalitionspartner der SPÖ, Spitzenkandidatin bei der Wahl ist Judith Pühringer.

Neubau ist der am stärksten verbaute Wiener Gemeindebezirk - mit nur 9 Prozent der Gesamtfläche von 1,6 km² weist Neubau einen der niedrigsten Anteile an Grünflächen auf. Früher ein Arbeiterbezirk, gilt Neubau heute als Hotspot für Kunst, Design und eine kreative Kulturszene. In der Burggasse in Neubau steht auch das kleinste Haus von Wien, das den Namen „Zum goldenen Hirschen“ trägt. Bezirksvorsteher ist Markus Reiter (Grüne).

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