ÖIF an Hacker: “Den Fall mit der schwangeren syrischen Frau gibt es nicht"

Interview: Carla Pirker (ÖIF)
Sozialstadtrat Peter Hacker ging mit dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) hart ins Gericht. Carla Pirker, Leiterin der Deutschkursförderung kontert.

Laut SPÖ-Stadtrat Peter Hacker läuft es bei der Vergabe von Deutschkursen des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) nicht ganz rund. Der ÖIF ist zur Bereitstellung dieser gesetzlich verpflichtet. Wie der SPÖ-Rathausklub am Mittwoch noch einmal bekräftigte, gäbe es aber Tausende Fälle in Wien, die eine Ablehnung für Deutschkurse erhalten hätten. Deswegen seien auch schon Termine mit der für Sozialhilfe zuständigen MA 40 anberaumt.

Carla Pirker, Leiterin derDeutschkursförderung, bestreitet die Vorwürfe.

KURIER: Gibt es in Wien ein Problem bei den Deutschkursen? Carla Pirker: Nein, definitiv nicht. Jede anspruchsberechtigte Person, die zum ÖIF kommt, bekommt innerhalb kurzer Zeit einen Deutschkurs von uns angeboten. Im Moment sind in Wien circa 8.000 Personen in einem Deutschkurs. Allein in den nächsten vier Wochen haben wir 1.000 freie Kursplätze. Also nein, es gibt kein Problem.

Sozialstadtrat Peter Hacker sieht das anders.

Die Kritik vom Herrn Stadtrat ist für mich nicht nachvollziehbar, das möchte ich gleich als erstes festhalten. Der ÖIF hat laut Integrationsgesetz die Aufgabe, Deutschkurse für Asylberechtigte, Subsidiärschutzberechtigte und für aus der Ukraine Vertriebene zur Verfügung zu stellen. Und das tun wir. Wir stellen für jede Person auf den Sprachniveaus von der Alphabetisierung bis zu C1 Kurse zur Verfügung.

Da oft Verwirrung herrscht: Sie sorgen nicht für Deutschkurse von Kindern?

Wir sind für Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr zuständig. Es handelt sich um Jugendliche und Erwachsene mit der bereits erwähnten Zielgruppeneinschränkung.

Also Leute, die für den Arbeitsmarkt relevant sind? 

Wir stellen die Deutschkurse auch für Personen zur Verfügung, die der Arbeitsvermittlung gerade nicht zur Verfügung stehen oder die bereits arbeiten. Wir sind für alle, da gibt es keine Einschränkung.

Was wird in den Kursen vermittelt?

Neben der deutschen Sprache spielt auch die Wertevermittlung und das Weitergeben von Kompetenzen einen wichtigen Part. Das Thema Arbeitsmarkteinstieg zieht beispielsweise durch alle Kurse – mit unterschiedlichsten Übungen, wie etwa simulierte Bewerbungsgespräche.

Schwelt der Konflikt in Wien schon länger?

In dieser Dimension sind die Vorwürfe neu und sie sind auch nicht konsistent. Wir haben Herrn Hacker auch wiederholt gebeten, dass er uns konkrete Fälle übermittelt. Die sind halt nie gekommen.

Der Gegenvorwurf lautet, dass der Datenaustausch nicht funktioniert und die Verwaltung zu langsam ist.

Diese Äußerung kann man allein mit dem Blick auf die technische Infrastruktur widerlegen. Wenn Sie jetzt bei uns in einem Deutschkurs sitzen und Sie brechen den Kurs ab, meldet das der Kursträger sofort beim ÖIF ein. Und wenn Sie zum Beispiel Mindestsicherung beziehen würden, wüsste die MA 40 das noch am selben Tag. Der Stadt Wien liegt immer tagesaktuell bei jeder einzelnen Person die Information vor, ob sie brav im Kurs sitzt oder ob sie den Kurs abgebrochen hat.

Wer bricht die Kurse ab und warum?

Das muss man sich sehr differenziert anschauen. Es gibt natürlich berechtigte Gründe, warum man einen Kurs abbricht – wenn man zum Beispiel eine Arbeit aufnimmt oder wenn man länger krank ist. Diese Kursabbrüche werden selbstverständlich entschuldigt und die Personen bekommen einen weiteren Kurs von uns gefördert. Dann gibt es aber Personen, die einfach nicht mehr erscheinen und sich nicht melden. Im letzten Jahr lag die Anzahl der Personen, die unentschuldigt den Kurs abgebrochen bzw. die Mindestanwesenheit unentschuldigt nicht erreicht haben, bei ungefähr 20 Prozent.

Und wer unentschuldigt abbricht, kriegt dann keinen weiteren Kurs auf dem Sprachniveau zur Verfügung gestellt?

Genau. Die Personen werden vor Kursbeginn in einem intensiven Beratungsgespräch informiert. Dort wird ihnen klipp und klar erklärt, dass der Kurs aus Steuergeld finanziert ist und dass es wichtig ist, dass sie diesen Kurs besuchen, weil die deutsche Sprache wichtig ist. Sie werden auch über Aufgaben und Pflichten aufgeklärt und was mögliche Maßnahmen oder Konsequenzen sind, wenn sie den Kurs nicht besuchen.

Viele dieser Menschen kommen aus Kriegsgebieten, sind möglicherweise traumatisiert und hatten in ihrer Heimat vielleicht weniger Zugang zur Bildung. Kann man die gleichen Maßstäbe ansetzen oder müsste man die Regeln anpassen?

Die Personen werden bei uns in der Muttersprache beraten und sie unterschreiben auch, dass sie verstanden haben, wie wichtig der Deutschkurs-Besuch ist. Auch im Nachgang haben sie die Möglichkeit, eine Entschuldigung zu bringen.

Wie kann es dann sein, dass eine syrische Frau trotz ihrer Niederkunft nicht entschuldigt wird und keinen weiteren Kurs erhält?

So einen Fall gibt es nicht, das ist schlichtweg falsch. Zwei Gründe: Der erste wäre, dass die Geburt selbstverständlich ein Entschuldigungsgrund wäre. Der zweite Grund ist, dass wir hochschwangere Frauen gar nicht in einen Kurs zubuchen. Wir würden in der Beratung darauf Rücksicht nehmen und ihr sagen, dass sie den Kurs machen soll, wenn das Kind auf der Welt ist.

Der ÖIF hat laut Stadt Wien ein Monopol auf Deutschkurse. Wäre eine Öffnung besser?

Der ÖIF ist ein Fonds der Republik Österreich. Das bedeutet, wir sind aus Steuermitteln finanziert. Wir vergeben Deutschkurse in einem öffentlichen, transparenten Vergabeverfahren an Dritte. Das sind Kursträger in ganz Österreich, die die Kurse für den ÖIF durchführen, zum Beispiel Ibis Acam und das BFI. Wir sind ein öffentlicher Fördergeber. Das Wort Monopolist ist per se falsch.

Wenn Drittanbieter die Kurse durchführen, wie funktioniert dann die Qualitätssicherung? Anders gefragt: Liegt es zwingend an den Menschen, dass sie die Kurse abbrechen, oder ist auch möglich, dass manche Kurse nicht gut sind?

Für diese Kurse gelten extrem hohe Qualitätskriterien. Der ÖIF ist der einzige Deutschkurs-Fördergeber, der gesetzlich verankerte Standards hat, was die Qualitätssicherung anbelangt. Das beginnt bei einem Curriculum, das den Rahmen darstellt, wie die Kurse gestaltet werden müssen, bis hin zu klar definierten Lehrkraftqualifikationen, die wir auch überprüfen. Wir haben laufend Evaluierungen, sowohl unangekündigt als auch angekündigte. Wir können von Vorarlberg bis Wien dieselbe Qualität sicherstellen, damit alle Kurse mit demselben Standard besuchen können.

Peter Hacker hat eine juristische Prüfung angekündigt wegen 20 Millionen Euro, die die Stadt Wien für Deutschkurse gezahlt hat. Sind Sie beunruhigt?

Nein, der ÖIF kommt seinem gesetzlichen Auftrag nach. Die Summe der 20 Millionen Euro kenne ich erst seit gestern aus den Medien. Das sind jedenfalls keine Mittel, die der ÖIF erhalten hat.

Es geht darum, dass Wien Kurse finanzieren musste, die Sie hätten durchführen müssen.

Ich kenne diesen Vorwurf auch nur aus den Medien. Eine Vermutung wäre, dass Kurse für Asylwerber gemeint sind. Dafür hat der ÖIF keine Zuständigkeit. Im Integrationsgesetz ist klar geregelt, für wen der ÖIF Kurse anbieten muss.

Wie viel Geld steht dem ÖIF für Deutschkurse zur Verfügung?

Wir haben heuer ein Budget von 87 Millionen Euro.

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