Noch heute zählen die Modelle der Firma „Rudolf Scheer & Söhne“ zu den exklusivsten des Landes. Luster, Schwarz-Weiß-Fotografien und Auszeichnungen erinnern daran. Die alten Holzdielen knarren, als Scheer zum neuen Kunden schreitet.
1866 wurde das Haus errichtet, in dem sich heute Verkaufsraum (Erdgeschoß), Werkstatt (1. Stock) und Veranstaltungsraum (Keller) befinden. Seinen Anfang hatte der Betrieb 50 Jahre früher im 3. Bezirk genommen. 1816 hatte Johann Scheer einen Schusterbetrieb geöffnet.
Mehr als 200 Jahre angesammeltes Wissen – das sei laut Markus Scheer einer der Gründe für den Erfolg des Traditionsunternehmens. „Das Wissen“, meint Scheer, „und der Ansporn, stets Speerspitze zu sein“. Die lange Reihe an fertigen Schuhen, die im Gesprächszimmer auf ihre Besitzer warten, sind Zeugnis dafür.300 Paar Schuhe werden pro Jahr mit Perfektion und Präzision gefertigt. Etwas mehr als die Hälfte sind für Männer. Das sei aber stets eine Pendelbewegung; die Nachfrage der Frauen würde aktuell wieder steigen.
Allzu eilig sollten es neue Kunden aber nicht haben. Derzeit gibt es eine Warteliste für Ersttermine. Nach dem Maßnehmen dauert es rund sechs Monate, bis man ins fertige Produkt schlüpfen kann.Dass diese Schuhe nicht billig sind, ergibt sich von selbst. Über den Preis spricht Markus Scheer nicht gerne. Aber die 70 Arbeitsstunden müssten sich rechnen. Und ein richtig gut passender Schuh trage auch entscheidend zur Fußgesundheit bei. Ein Umstand, der erst langsam in den Köpfen der Menschen anzukommen scheint.
Dem Vernehmen nach liegt der Preis für ein erstes Paar im vierstelligen Bereich – inklusive Leisten. Der ist bei weiteren Modellen nicht mehr notwendig.
In der Werkstatt werden aber nicht nur Schuhe gefertigt, sondern auch Taschen, Gürtel, Portemonnaies. „Bei uns wird eigentlich jedes Stück Leder verarbeitet, wir haben praktisch keinen Müll.“
Offiziell hat Markus Scheer das Unternehmen vor acht Jahren von seinem Großvater übernommen, mitgearbeitet hat er schon viel länger und hier aufgehalten hat er sich schon sein ganzes Leben lang.
„Ich erinnere mich vor allem an die Gerüche und die Geräusche.“ Süßlich herbes Leder und das Surren der Nähmaschine. Den ein oder anderen Spaß habe er sich mit seinen Geschwistern auch erlaubt: „Wir haben Holznägel auf die Sessel gelegt und gehofft, dass sich der Opa draufsetzt“, erinnert er sich, „oder sind die Holzstiege heruntergerutscht“.
Am liebsten hatte er das gemeinsame Mittagessen hinten im Esszimmer. Eine Tradition, die es bis heute gibt.
Noch ist es aber nicht ganz Mittag und so steht Lehrling Anna am Pult und schneidet Leder zurecht. Sie ist Quereinsteigerin, hat sich nach dem Studium für eine Schuhmacherlehre entschieden. Warum sie die Praxis hier macht? „Weil hier die Besten arbeiten.“ Qualität spricht sich herum.Vom derzeit viel zitierten Boom zurück zum Handwerk, würde Scheer hingegen nichts spüren. „Das ist nicht mehr als ein laues Lüftchen.“
Er fordert mehr Engagement seitens der Politik. „Wir müssen uns die Frage stellen, welche Rolle das Handwerk in einer digitalisierten Welt spielen soll. Ich sage, eine sehr große.“ Denn Handwerk leiste Pionierarbeit. Immer.
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