Der "Spritzenferdl" wird von der Nachtschwester abgelöst

Abtielungschef Hilbe (li.)
Wie die massiv umstrittene Streichung von Nachtdiensten in der Praxis funktioniert.

Absperrgitter, eingerüstete Gebäude und Baumaschinen. Das Wilhelminenspital präsentiert sich den Besuchern derzeit als Großbaustelle. Bis 2024 wird das Krankenhaus generalsaniert.

Doch auch hinter den Kulissen wird derzeit kräftig umgebaut. Wie in allen Gemeindespitälern müssen die Dienstpläne der Ärzte umfassend umgekrempelt werden, weil Spitalsärzte seit dem Vorjahr nur mehr 48 Stunden arbeiten dürfen.

Ein Prozess, der alles andere als reibungslos verläuft: Nachdem der Krankenanstaltenverbund (KAV) vor wenigen Wochen im Zuge der Umstellung Wien-weit die Streichung von 40 Nachtdiensten angekündigt hat, steigt die Ärztekammer auf die Barrikaden. Noch bis Sonntag befragt sie die 3500 KAV-Ärzte, ob sie deshalb zu Kampfmaßnahmen bereit sind.

Wolfgang Hilbe nimmt nicht an der Abstimmung teil. "Mit meiner Rolle wäre das nicht vereinbar", sagt der Chef der 1. Medizinischen Abteilung, die auf die Behandlung von Krebskranken spezialisiert ist. Für die Aufruhr, die aktuell unter Wiens Ärzten herrscht, hat er aber Verständnis: "Es ist klar, dass solche massiven Veränderungen Angst erzeugen. Sie muss man sehr ernst nehmen."

Hilbes Abteilung, an der allein im Vorjahr 10.600 stationäre Aufnahmen erfolgten, hat die umstrittene Streichung von Nachtdiensten bereits umgesetzt. Statt vier gibt es seit Ende 2015 nur mehr drei. Als Ausgleich übernehmen nun speziell geschulte Pflegekräfte Tätigkeiten wie etwa das Anhängen von Infusionen. Früher machten das die "Spritzenferdl" – Turnusärzte, die in der Nacht von Bett zu Bett eilten. Freilich wurde zuletzt das nichtärztliche Personal aufgestockt.

"Durch die Reduktion des Nachtdienstes sind unsere 25 Ärzte jetzt tagsüber eine Stunde länger da. So ist es uns gelungen, dass wir trotz kürzerer Arbeitszeit die gleiche Versorgungsqualität halten konnten", schildert Hilbe. "Das Infusionsmanagement wurde sogar verbessert."

Einfach war diese Umstellung nicht. "In ihrer Vielschichtigkeit war sie eine enorme Herausforderung", erzählt der Mediziner. "Solche Änderungen lassen sich nicht einfach verordnen. Wir haben sie uns in einem halbjährigen Prozess erarbeitet." Mit zahlreichen Gesprächen auf der Abteilung, an denen die Ärzte genauso wie das Pflegepersonal beteiligt waren.

25-Stunden-Dienste

Weiteres Sparpotenzial sieht Hilbe an seiner Abteilung nicht mehr. Die 25-Stunden-Dienste behält er größtenteils bei, obwohl der KAV möglichst viele auf 12,5 Stunden umstellen will. "Es gibt Fächer, wo dies sinnvoll ist. Etwa in der Unfallchirurgie. Bei unseren Patienten ist aber eine Kontinuität der Betreuung sehr wichtig."

Laut Hilbe seien seine Mitarbeiter mit dem neuen System zufrieden. "Mich stört aber, dass das Arbeitszeit-Gesetz so starr ist. Wie jeder Betrieb hat auch mein Team etwa zehn Prozent an Mitarbeitern, die besonders leistungsbereit sind und immer einspringen, wo Not am Mann ist. Warum sollen sie nicht länger arbeiten dürfen?"

Einen Wunsch richtet der Mediziner noch an die Stadt: "Es würde die Ärzte, die die Umstellung auf sich nehmen müssen, motivieren, wenn im Gegenzug in die Infrastruktur der Spitäler investiert wird. Wie etwa beim neuen OP-Zentrum im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Damit die Versorgungsqualität nicht nur gehalten, sondern verbessert wird. Aber das ist wohl ein Wunsch an das Christkind."

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