Der Rote mit der grünen Politik

Gerhard Zatlokal ist wahrscheinlich der einzige Politiker Wiens, der seiner eigenen Partei im Zuge einer Auseinandersetzung nicht mit dem Rücktritt drohte, sondern damit, dass er noch länger bleiben wird.
Doch diese Drohgebärde hat nun ausgedient. Mit Ende des Jahres will sich der langjährige Bezirksvorsteher des 15. Bezirks in den politischen Ruhestand begeben – wenn ihn sein gesundheitlicher Zustand nicht dazu zwingt, schon früher leiserzutreten.
Mit Zatlokal verliert Wien einen seiner umtriebigsten Bezirksvorsteher. Und vielleicht auch den parteiintern umstrittensten. Denn der rote Zatlokal setzte in seiner Funktion nur allzu gern Projekte mit grünem Antlitz um.
Zatlokal, das ist der, der im Sommer vor zwei Jahren gemeinsam mit seinem grünen Kollegen aus dem 7. Bezirk eine Gürtelkreuzung sperren ließ, um dort einen Pool aufzustellen. Weil er etwas für die Menschen in seinem Bezirk tun wolle, sagte er damals.

Bei der Eröffnung des Gürtelpools 2020
Zatlokal, das ist der, der betont, dass die Mariahilfer Straße nicht am Gürtel aufhört und eine Weiterführung des verkehrsberuhigten Boulevards in den 15. Bezirk längst überfällig sei.
Zatlokal, das ist der, der eine Fahrspur der Avedikstraße wegnehmen will, damit der Rustensteg barrierefrei gemacht und ein kleiner, begrünter Spielplatz in einer Baulücke erhalten werden kann.
Dass der rote Zatlokal so gern grüne Projekte in seinem Bezirk umsetzt, erfolgte nicht unbedingt zur Freude mancher Genossen.
Nach den Auffassungsunterschieden rund um den Gürtelpool strichen ihm die Parteifreunde im Rathaus das Budget für die Fortsetzung. Zum KURIER sagte Zatlokal damals: „Da geht es nicht um Rot oder Grün, da geht es um Politik für die Menschen.“
Zatlokal ist ein Mann der klaren Worte und ein Fan des Wienerischen. Den Europaplatz will er etwa umgestalten, weil man für seine Überquerung als Fußgänger „ein Menagereindl voll Essen brauchen“ würde.

Mit Birgit Hebein plante Zatlokal Projekte, die Sima so nicht umsetzen wollte
Aber als die Verkehrsberuhigung rund um den Ikea am Westbahnhof, die Zatlokal noch mit der grünen Planungsstadträtin Birgit Heben ausverhandelte, unter der neuen rot-pinken Stadtregierung plötzlich wackelt, ist ihm nicht mehr zum Scherzen zumute.
Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit der neuen zuständigen Stadträtin – Ulli Sima (SPÖ). Der Stadt attestiert Zatlokal „mangelnde Handschlagqualität“, weil „alle Projekt gestoppt“ worden seien.
Kurze Zeit später tritt er allerdings vor die Medien, um die neue Verkehrsberuhigung des Ikea-Grätzels zu präsentieren. Und zwar gemeinsam mit Sima. Dafür bricht Zatlokal sogar einen Urlaub ab: jenen für die Vorbereitungen seiner Hochzeit.

Sima und Zatlokal bei der Präsentation der Verkehrsberuhigung des Ikea-Grätzels
„Lästig sein kann er“
Mittlerweile sei das Verhältnis zwischen ihr und Zatlokal wieder gut, sagt die Stadträtin. Zatlokal sei eben einer, der sich besonders für seinen Bezirk und die Menschen, die dort leben, einsetze. „Lästigsein, das kann er“, sagt Sima.
Und zwar im positiven Sinne, wie sie betont.
Auf die Einhaltung der Parteilinie pfeift Zatlokal aber nach wie vor: Als die Grünen Mitte Mai ihre Vorstellungen von einer Begegnungszone auf der Äußeren Mariahilfer Straße präsentierten, kam Zatlokal als Besucher und nahm im Publikum Platz.
Die Ideen der Grünen, sagt er damals – hielte er für „mehrheitsfähig“. In der SPÖ wollte man das damals nicht kommentieren, den Grünen hat’s gefallen: „Er war immer ein wenig mutiger als andere in der Stadtregierung“, sagt Parteivorsitzender Peter Kraus. „Ein Gesprächspartner mit Handschlagqualität.“
Bis Ende des Jahres kann Zatlokal die noch unter Beweis stellen – wenn ihm nicht wieder die Stadt in eines seiner Projekte pfuscht.
31 Jahre war Zatlokal in der Bezirkspolitik, davon 14 Jahre als Bezirksvorsteher. Sein Nachfolger ist bereits parteiintern beschlossen: Dietmar Baurecht, bisher stellvertretender Klubchef und Leiter der Verkehrskommission im 15. Bezirk.
Eine Rückkehr zur guten, alten roten Politik ist unter ihm nicht zu erwarten. „Ich bin jemand, der grüne Maßnahmen sehr schätzt“, sagt Baurecht. „Da bin ich sicher auf einer Linie mit dem Gerhard.“
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