Der Ring soll jeden Sonntag autofrei werden
Die Wiener Grünen arbeiten hinter den Kulissen an einer Verkehrsberuhigung des Rings. Die Vorgangsweise erinnert an die Strategie bei der Umgestaltung der Mariahilfer Straße zur Fußgängerzone. Auslöser für die erneute Diskussion ist die heurige Absage der umstrittenen Veranstaltung „Rasen am Ring“ im Rahmen des internationalen autofreien Tags.
Justament zum Zehn-Jahres-Jubiläum wird es heuer keinen „Rasen am Ring“ geben. Bei dieser behördlich genehmigten Veranstaltung picknickten Bürger auf der Prunkstraße. Dafür musste die Hauptverkehrsader jedes Mal für mehrere Stunden gesperrt werden. Der Verkehr in Wien kollabierte, es hagelte Proteste der Autofahrer.
Anstatt Rollrasen aufzulegen und Klappstühle auszupacken, machen sich die Veranstalter heuer für ein Projekt mit wohl noch mehr Konfliktpotenzial stark: Die Vertreter der Radlobby Wien sowie des Vereins Autofreie Stadt fordern, den Ring im Frühling und Sommer jeden Sonntag für Autos zu sperren. Axel Grunt, Sprecher von Autofreie Stadt, erklärt: „Wir spielen den Ball an das zuständige Verkehrsressort von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou weiter und fordern ,Ring Frei‘ an Sonntagen.
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Autofahrer zweitrangig
Für Alec Hager von der Radlobby ist die Situation für andere Verkehrsteilnehmer nebensächlich: „Die Verträglichkeit unserer Forderung für den Individualverkehr ist zweitrangig. Es geht um die beste Erlebbarkeit der Flaniermeile. Schon Altbürgermeister Helmut Zilk hatte diese Idee.“
Dass eine Sonntags-Sperre des Rings einen Verkehrskollaps in den Bezirken provozieren würde, glauben die Sprecher nicht. Alec Hager dazu: „Die Zweier-Linie könnte durchaus als Ausweich-Route für den Ring funktionieren. Das war schon bei der EURO 2008 so.“
Unterstützung für die Sonntags-Sperre kommt von der Technischen Uni Wien. Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften zum Thema: „Die Bedeutung der Ringstraße als Flanierzone und Boulevard wird in ihrer jetzigen Gestaltung nur unzureichend berücksichtigt.“
Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou gibt sich (noch) vorsichtig: „Die Ringstraße ist geprägt durch die dort befindlichen Institutionen wie Uni, Museen und Oper. Wir haben einen langfristigen Dialog mit diesen Institutionen gestartet, wie aus ihrer Sicht der Ring in Zukunft gestaltet oder genutzt werden soll.“ Handel und Anrainer sollen in den Diskussion ebenfalls eingebunden werden.
Internationale Beispiele
Ein autofreier Ring ist alles andere als eine Vision. Denn es gibt mehrere Internationale, gut funktionierende Beispiele. So macht Paris die Champs-Elysee sonntags autofrei, in Brüssels Innenstadt wird dieser Tage autofreier Sonntag gefeiert und Oslo soll ab 2019 dauerhaft ohne Individualverkehr auskommen. „In diese illustre Runde könnte sich Wien einreihen - mit Ring Frei am Sonntag. Die Stadtregierung sollte die Prunkstraße den Menschen zur Verfügung stellen, ohne motorisierte Platzvergeudung“, forderte die Plattform „Autofreie Stadt“.
Am Mittwoch um 17 Uhr präsentierten die Vereine vor dem Parlament Vorstellungen, wie die Flächen am Ring aufgeteilt werden könnten, konkrete Pläne gab es aber nicht.
Der Einzelhandel kann den zahlreichen Ring-Sperren (etwa 80-mal pro Jahr) nichts abgewinnen: „An Samstagen, an denen der Ring wegen Demos oder Events dicht ist, büßen wir bis zu 50 Prozent des Umsatzes ein“, sagt Marie-Béatrice Fröhlich. Sie ist Eigentümerin eines Bekleidungsgeschäfts am Wiener Graben.
Der Herrenausstatter Kurt Wiedemann betreibt drei Läden im ersten Bezirk und hat das selbe Problem. Der Samstag ist für ihn wirtschaftlich der wichtigste Tag, aber: „Kein Kunde tut sich den Stau an.“ Demonstrationen sehe er vollkommen ein, sie sollten aber nicht die City blockieren. Er sagt: „Die wären auf der Prater-Hauptallee oder der Donauinsel weitaus besser aufgehoben.“
Was gilt als Demo?
Außerdem müsse man politische und soziale Demonstrationen von „Spaßdemos“ unterscheiden, meint Fröhlich: „Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht und unverzichtbar. Aber wenn Leute einfach in Bademänteln über den Ring laufen, ist das was anderes.“ Sie ist verärgert, dass solche Veranstaltungen auf dem Rücken des Einzelhandels ausgetragen werden. „Hier geht es teilweise um Existenzen“, sagt Fröhlich, die im Vorstand des Graben-Vereins sitzt – sie hört auch von anderen Ladenbesitzern, dass sie unter den Straßensperren leiden.
Kurt Wiedemann hat sich bereits mehrmals bei der Wirtschaftskammer und beim Bezirk beschwert: „Aber die Politik wird erst aufmerksam, wenn die Geschäfte zusperren müssen.“
(von M. Mai und G. Scherndl)
In der Idee eines autofreien Sonntags sieht Fröhlich jedoch Potenzial: Denn dann könnten die Demos samt Ring-Sperren auf diesen Tag gelegt werden.
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