Der letzte Schildermaler Wiens: Ein aussterbender Beruf

Ein Mann steht in einem Atelier mit Farbflecken auf dem Boden.
Josef Samuel hält mit einem Museum sein Handwerk am Leben. Zu seinem 80. Geburtstag wagt er einen Blick nach hinten und nach vorne.

Schon der Holzboden ist ein Kunstwerk. Die bunten Farbspritzer im kleinen Raum in der Mühlgasse 7 auf der Wieden haben sich über Jahrzehnte hinweg angesammelt. „Drei Generationen haben hier ihre Pinsel ausgespritzt“, sagt Josef Samuel.

Zeit seines Lebens war er – wie schon seine Vorfahren – Schildermaler. Heuer ist Samuel 80 Jahre alt geworden und blickt auf sein Berufsleben zurück.

Ein älterer Mann steht vor einer Staffelei mit mehreren Bildern und malt.

Josef Samuel in seinem Atelier

Wobei es sein Handwerk eigentlich nicht mehr gibt: Schilder, wie sie in Samuels Atelier hängen, werden heute nicht mehr produziert, erzählt er. „Das älteste ist von meinem Urgroßvater aus dem Jahr 1882.“ Zu dieser Zeit, rund um die Jahrhundertwende, sei Wien eine „Hochburg der Schildermalerei“ gewesen.

Ein Mann zeigt mit einem Stab auf eine Wand voller alter Schilder und Plakate.

Verschiedene alte Schilder werben für Wein, Bier, Café und alkoholfreie Tafelgetränke.

Ein Atelier mit Farbtropfen und bemalten Tassen vor einem bunten Buchstabenbild.

Eine Wand voller alter Schilder und Werbung für Wein, Sodawasser und andere Produkte.

Collage mit Schriftzügen wie „Fratelli“, „Wiener Chic“ und der Fassade des Cafés Diglas.

Eine Wand voller Schilder, Gemälde und anderer Kunstwerke.

Ein altes Schild wirbt für den An- und Verkauf von Wertpapieren, Devisen und Valuten.

Ein Schild mit der Aufschrift „Sonnen & Regenschirme“ und einer Illustration von Schirmen.

Ein altes Schild für „Hochquellen Sodawasser von Th. Hall, Wien, XII. Breitenfurterstraße 100“.

Ein Schild mit der Aufschrift „Steh Wein Halle“ und anderen historischen Werbeschildern.

Rund 250 Betriebe habe es damals gegeben. „Mittlerweile bin ich der letzte Schildermaler Wiens“, sagt Samuel.

Eigene Mixtur

Seit 20 Jahren ist aber auch er schon in Pension. Hin und wieder übernehme er noch Arbeiten. Im vergangenen Jahr etwa die Bemalung eines Zunftbaumes. „Aufträge gibt es genug. Ich weiß nur nicht, wo ich die Materialien herbekommen soll.“ Früher habe es beim angrenzenden Kühnplatz alles gegeben: Tischler, Schlosser, Greißler und Drogerien, sagt Samuel. „Holzplatten oder Rotmarder-Pinsel zum Beispiel finde ich heute dagegen kaum mehr.“

Ganz zu schweigen von der Farbe: Die wurde früher aus verschiedenen Materialien selbst gemischt. „Jeder Meister hatte seine eigene Mixtur.“ Heute dagegen gebe es nur noch industriell hergestellte Farbe. Die sei aber deutlich weniger langlebig, betont der Experte. Nach zwei bis drei Jahren beginne die Industrie-Farbe abzuplatzen, von den Schildermalern selbst gemischte Farbe dagegen halte bis zu 80 Jahren. „Aber Unternehmen, die so lange bestehen, gibt es auch längst nicht mehr“, sagt der 80-Jährige scherzhaft.

Ein Tisch mit Farbtöpfen, Pinseln und anderen Malutensilien.

Die Farben wurden früher selbst gemischt

Eine Hand öffnet eine Schublade mit rotem Farbpigment.

Ein Atelier mit Farbtropfen und bemalten Tassen vor einem bunten Buchstabenbild.

Neben den Materialien fehle mittlerweile aber auch das Interesse am Handwerk. Und sollte sich doch jemand dafür interessieren, so fehle es an Ausbildungsstellen. „Es ist ein ausgestorbener Beruf“, sagt Samuel.

Richard Doneiser, Landesinnungsmeister-Stellvertreter der Maler und Tapezierer, stimmt dem allerdings nur zum Teil zu: „So einen wie den Josef, der das reine Handwerk praktiziert, gibt es keinen mehr, das stimmt. Das Wissen wird aber weiter bewahrt.“ Sowohl die Lehrer in den Berufsschulen als auch die Meister würden das Handwerk noch beherrschen, sagt Doneiser. Allerdings würden solche Schilder nur sehr selten nachgefragt: „Das passiert vielleicht alle zwei Monate einmal.“ Zudem sei es eine wirtschaftliche Überlegung, ob sich die Kunden ein handwerkliches Produkt leisten wollen.

Die Abrissbirne kommt

Heutzutage sei das Arbeiten als Schilderproduzent ganz ein anderes. Recht technisch, EDV-unterstützt, mit Lasern und anderen Maschinen, sagt Doneiser. Josef Samuel sieht das nicht unbedingt kritisch: „Mit dem Computer lassen sich wunderbare Sachen machen. Es ist aber eben keine handwerkliche Tätigkeit mehr.“

 

Die Fassade eines Geschäfts für individuelle Schilder und Schriftenmalerei in Wien.

Josef Samuel hat aus seinem ehemaligen Atelier ein Museum gemacht

Ein Atelier mit Fotografien und Kunstwerken an den Wänden und auf Tischen.

Um seine Art der Kunst weiter zu bewahren, hat Samuel sein früheres Atelier mit dem bunten Fußboden in ein Museum verwandelt. Unterschiedlichste Schilder, mit und ohne Verzierungen, sind darin ausgestellt. Vorerst kann man das Handwerk hier also weiter bewundern.

Ein leerer, goldener Rahmen liegt auf einem Holzboden mit Farbflecken.

Der Holzboden im Atelier

Was aber, wenn Josef Samuel nicht mehr weitermachen möchte oder kann? „Dann kommt die Abrissbirne“, sagt der Schildermaler lachend. Ob der Fußboden mit den bunten Farbspritzern vorher herausgenommen wird, bleibt abzuwarten.

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