Der Lebemann und der Grübler: Ein Buch über das Zwischenkriegs-Wien
Das Wien der 20er- und 30-Jahre des vorigen Jahrhunderts, eine Epoche der Widersprüche, wie es sie seither kaum je gegeben hat: Da das Gefühl des Aufbruchs, des Alles-ist-möglich nach der Finsternis des Großen Krieges, die Zeit der Strebsamen und der Glücksritter, die wieder zu Geld und Vermögen kommen, oft mit nicht ganz sauberen Methoden, das Glitzern der Bars und der Varietés; dort die Erleichterung zwar über das Ende des Krieges, aber auch die Vorsicht, die Sorge vor dem Kommenden, das sich am Horizont schon abzeichnet, bald auch nähert, Armut, Geldentwertung, politische Emotionalisierung und Radikalisierung.
Auch in der Kunst und der Architektur spiegeln sich diese Widersprüche: Josef Hoffmann versus Adolf Loos, zwei Ausnahme-Architekten und Designer ihrer Zeit. Der eine, Kunstgott der Wiener Werkstätte, der das Schöpferische und Künstlerische ins Zentrum seiner Entwürfe stellt, nicht den Zweck; der andere, der Architektur und Design nicht als Gestaltungswiese betrachtet, sondern die Funktionalität im Auge hat, vor deren Hintergrund sich die Individualität des Einzelnen entwickeln soll.
Zwischen Brüdern
In dieses Milieu setzt Wolfgang Böhm die beiden Hauptfiguren seines Roman-Erstlings „Zwischen Brüdern“, zwei Brüder, die ebenfalls gegensätzlicher nicht sein könnten: Den Lebemann Hans, der Josef Hoffmann verehrt und alles unternimmt, in seine Meisterklasse zu kommen, der zunächst mit krummen Zigarrengeschäften sein Geld macht und schließlich die renommierte Leuchtenwerkstatt im Haus der Schwiegermutter leitet und u. a. die Renovierung des beliebten Wiener Cafés Prückel übernimmt; und den Ich–Erzähler Viktor, der nach dem Krieg mühsam in den Lehrerberuf zurückfindet, nach Sicherheit strebt, mit seiner sozialdemokratisch orientierten Frau die Zeichen an der Wand sieht – und mit dem unsteten Lebensstil seines Bruders hadert.
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