Der Herr Inspektor im Grätzl

Grätzl-Tour: Beamte gehen auf die Bürger zu.
Ab 1. März stehen 100 Polizisten im Grätzl-Dienst. Sie gehen auf die Bürger zu und lösen Probleme.

"Bei uns ist es in den vergangenen Jahren unsicherer geworden. Meine 27-jährige Tochter geht nur noch mit dem Pfefferspray durch die Gegend", bringt Trafikant Erich Jasicek die Stimmung im Grätzl nahe des Donauspitals auf den Punkt. Der Waffenpass-Inhaber hat bereits sein Geschäft mit Alarmanlage, Video-Überwachung und einbruchssicheren Fenstern ausgerüstet.

Er und seine Frau Hannelore können der Einführung der Grätzl-Polizisten nur Positives abgewinnen: "Da zeigt die Polizei Präsenz und kümmert sich um unsere größeren und kleineren Alltagsprobleme. Und wir Bürger, aber auch eventuelle Täter sehen, dass die Polizei in der Nähe ist."

Wenn Gruppeninspektor Andreas Mann und Inspektor Michael Dörner entlang der Langobardenstraße auf Grätzl-Tour sind, erkennt man sofort, dass die beiden Herren in Uniform bestens bekannt sind. So auch in der Trafik der Familie Jasicek. Sofort entwickelt sich ein reges Gespräch. "Alles in Ordnung? Geht’s ihnen gut?", fragten die Beamten. Ein Lächeln und Kopfnicken der Trafikanten bestätigt die ruhige Lage. Die Grätzl-Kieberer wurden auch informiert, dass vor einigen Tagen drei Männer, die man nicht kannte, längere Zeit gegenüber der Trafik gestanden sind. "Nein, wirklich auffällig waren sie nicht, aber man passt halt auf", so die Geschäftsleute.

"Die Palette der Probleme reicht von Nachbarschafts-Querelen über Lärmentwicklung bis zu Verkehrs-Problemen. Unterm Strich kann unsere Präsenz auf der Straße das subjektive Sicherheitsgefühl nur stärken. Die Menschen sehen, dass sich die Polizei der Sache annimmt", wissen die beiden Grätzl-Polizisten aus der Donaustadt.

Hilferuf aus Wettbüro

Allerdings gibt es neben kleinen Problemchen auch Einsätze, die auf den ersten Blick gefährlich erscheinen. So rief kürzlich die Mitarbeiterin eines Wettbüros um 23 Uhr an. "Im Lokal stehen drei Männer und trinken nur Wasser. Sie verhalten sich sehr auffällig, ich hab’ Angst, dass sie mich überfallen könnten", so der Hilferuf. Sofort eilte der Grätzl-Kieberer zu dem Wettbüro. Das verdächtige Trio hatte das Lokal jedoch bereits verlassen.

"Pro Dienst hab’ ich mindestens einen Fall der direkt von Bürgern herangetragen wird. An starken Tagen werde ich vier bis fünf Mal kontaktiert. Ich erinnere mich etwa an eine ältere Dame, die im Friedhof eingesperrt wurde. Sie hatte die Telefonnummer des Wachzimmers. Ich konnte die Seniorin mit einem Generalschlüssel schließlich befreien.

Auch beim Zusammenstoß einer Tramway mit Radfahrern konnte Gruppeninspektor Mann helfen: "Der Radler zog einen leeren Kinderanhänger. Die Straßenbahn rammte ihn. Nach kurzer Befragung war klar, dass der Biker wegen zu dichtem Buschwerkes neben den Schienen die Bim zu spät gesehen hatte. Ich setzte mich mit dem Magistrat in Verbindung. Die störenden Büsche wurden zusammengeschnitten, die Gefahrenzone war behoben."

Info-Veranstaltungen

Grätzl-Polizisten patrouillieren nicht nur durch ihren Rayon. Anfang dieser Woche informierten Beamte die Belegschaft des Einkaufszentrums Q19 in Wien-Döbling über Strategie und Taktik gegen Ladendiebe. Die Veranstaltung war bestens besucht und die Geschäftsleute fühlten sich – dank der Grätzl-Polizisten – wieder ein wenig sicherer.

Mit 1. März wird jeder Wiener Bezirk "seine" Grätzl-Polizisten haben. Auf ganz Wien verteilt werden sich an die 100 Beamten um Bürgeranliegen kümmern. Das Projekt läuft unter dem Motto "Gemeinsam sicher in Österreich".

Im Laufe des heurigen Jahres soll die Aktion über ganz Österreich ausgeweitet werden. Ziel ist es, dass in jeder Polizeiinspektion mindestens ein Polizist für die Vernetzung Bürger/Polizei zuständig ist. Innenminister Wolfgang Sobotka will damit die Bevölkerung zur Mitarbeit motivieren: "Wir wollen eine Gesellschaft, die hinsieht und nicht wegschaut. Jeder muss einen Beitrag leisten."

Das Modell Grätzl-Polizist steht und fällt mit der Erreichbarkeit der Beamten. Die Polizei bietet eine App an. Hier wird der örtlich zuständige Polizist mit seinen Kontaktdaten vorgestellt. Über die eMail-Adresse LPD-W-Ref-Buergerinformation@polizei.gv.at werden Anfragen an den zuständigen Polizisten weitergeleitet. Und Kontaktdaten sind in jedem Wachzimmer zu erfragen.

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