Das Leben nach der Flucht beginnt nun langsam

Das Leben nach der Flucht beginnt nun langsam
Der Samariterbund betreut in Ottakring 22 Mädchen, die ihre Heimat ohne Familie verlassen mussten.

Bushra (49) spielt Fatima den Ball zu. "Guten Tag. Wie geht’s?", fragt sie die 17-Jährige aus Somalia. "Danke, gut", antwortet sie. Und lächelt. Fatima ist Analphabetin. Es sind zwei der ersten Wörter, die sie auf Deutsch sagen kann. Seit Montag wohnt Fatima in der Unterkunft des Arbeiter-Samariterbundes in Wien-Ottakring. Davor musste sie im Flüchtlingslager Traiskirchen auf dem Boden schlafen. Jetzt teilt sie sich in Ottakring ein Zimmer mit Yusra. Auch sie ist 17 Jahre alt und aus Somalia geflüchtet. Auf der Flucht nach Österreich haben sich die beiden Mädchen kennengelernt; in Traiskirchen haben sie Freundschaft geschlossen. Beide wollen in Österreich studieren. Fatima will Ärztin werden, Yusra Anwältin.

Auf der Flucht

Fatima und Yusra sind zwei der 22 Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren, die in Wien aufgenommen wurden. Ursprünglich sollten alle 50 minderjährigen Mädchen, die in Traiskirchen untergebracht wurden, nach Wien kommen. "Die restlichen 28 wollten aus unterschiedlichen Gründen nicht aus Traiskirchen weg", sagt Katharina Glawischnig von der Asylkoordination. Manche haben dort Freundschaften geschlossen, andere haben Verwandte wiedergefunden. "Wenn dann etwa die Cousine volljährig ist, können sie nicht im selben Quartier untergebracht werden", sagt Glawischnig.

Insgesamt sind derzeit über 2500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Betreuung des Bundes. Abgesehen von den 28 verbliebenen Mädchen, befinden sich in Traiskirchen auch rund 1800 Buben ohne Familie. 91 Prozent der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen, die 2014 nach Österreich geflüchtet sind, waren Buben. "Mädchen haben es in Traiskirchen noch schwerer", sagt Glawischnig. Dass sie dort mit so vielen fremden Männern untergebracht sind, ist für viele Mädchen aufgrund ihrer Herkunft sehr unangenehm.

Vergessen

Über ihre Flucht und die Gründe dafür können die Mädchen in Ottakring noch nicht sprechen. "Viele wollen einfach nur vergessen, was war", erzählt Bushra. Die 49-jährige Irakerin betreut die Mädchen. Sie ist ihre Bezugsperson, ihr vertrauen sie. Viele der Mädchen hätten in Traiskirchen kaum zu Essen bekommen. Yusra und Fatima mussten im Freien schlafen. Ohne Zelt, ohne Decke. Nach Ottakring sind sie nur mit dem gekommen, was sie am Leib getragen haben.

Seit Montag haben die beiden wieder ein Bett zum Schlafen, bekommen regelmäßig zu essen und lernen Deutsch. Kurz: es kümmert sich jemand um sie. "Die Mädchen sind völlig allein hier. Sie sind so jung, aber so stark und mutig", sagt Bushra. "Sie werden ihren Weg gehen."

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