Das Geschäft mit gestohlenen Pässen: So kommen Flüchtlinge an Dokumente
Griechenland - Traumurlaubsziele vieler Österreicher. Aber auch zentrale Drehscheibe, wenn es um das Thema Dokumentenfälschung für Flüchtlinge geht.
Wie die Schlepper vorgehen, um Flüchtlingen illegal Pässe und Ausweise zu besorgen, verrät nun ein hochrangiger Mitarbeiter der europäischen Polizeibehörde Europol im KURIER-Gespräch.
Seit 32 Jahren ist der Experte, der aus Sicherheitsgründen seinen Namen nicht in der Öffentlichkeit preis geben will, im Polizeidienst. Seit 2016 im sogenannten European Migrant Smuggling Centre (EMSC), das sich neben den kriminellen Machenschaften von Schleppern, auch mit der Fälschung von Dokumenten für die illegale Reise von Migranten beschäftigt.
Eigene Druckereien für gefälschte Dokumente
"Die zentrale Drehscheibe für Dokumentenfälschung ist ganz klar Griechenland. In Athen gibt es eigene illegale Druckereien, die sich nur auf die Anfertigung der gefälschten Dokumente spezialisiert haben", erzählt der Mann.
Dies verdeutlicht auch die Operation "Illuminati", bei der der europäischen Polizeibehörde gemeinsam mit der griechischen Polizei kürzlich ein großer Schlag gegen Fälscher gelang. Dabei wurden vier Fälscherwerkstätten in Athen ausgehoben. In ihnen fanden sich beinahe 5.000 hoch professionell gefälschte Dokumente, sowie Laserdrucker und mehr als 20.000 Euro in bar.
Wobei sich alleine der Wert der gefälschten und sichergestellten Dokumente auf 600.000 Euro beläuft.
Gefälschter Pass und Flug im Paket um 6.000 Euro
Wer die Fädenzieher im Hintergrund sind? "Verschiedenste Nationalitäten. Generell lässt sich sagen, dass die meisten Verdächtigen nicht aus Europa stammen." Eine Aussage, die auch auf die Verdächtigen im Illuminati-Fall zutrifft. Elf Personen wurden verhaftet, sie stammen aus Palästina, Lettland, dem Iran, Syrien und dem Libanon.
Aktiv sollen sie seit September 2023 gewesen sein. Pro Dokument wurden 400 bis 1.200 Euro verlangt. Wer das volle kriminelle Paket, mit gefälschtem Pass und zusätzlich organisierten Flug buchte, musst mit bis zu 6.000 Euro rechnen.
Die Ermittler beobachten neben den hochprofessionellen Fälscherwerkstätten aber noch einen weiteren Trend: Jenen von gestohlenen Pässen oder Ausweisen, die bewusst an Migranten weiterverkauft werden, weil diese den ursprünglichen Besitzern der Dokumenten ähnlich sehen.
Vorstellen kann man sich dies wie folgt: Taschendiebe, bestochenes Hotelpersonal oder Wohnungseinbrecher nehmen die Dokumente als eine Art "Nebenprodukt" bei ihren Diebestouren mit. "Sie sammeln die Ausweise regelrecht. Dann werden diese auf Telegram in eigens erstellten Gruppen zum Verkauf angeboten", erklärt der Europol-Mann.
Sammlung gestohlener Ausweise im Nachrichtendienst
Das Nachrichtenportal spielt auch in weiterer Folge eine zentrale Rolle. Denn Schlepper weisen Flüchtlinge bewusst auf die Kanäle hin, in denen man die gestohlenen Dokumente durchforsten kann, bis man eines mit einem Bild findet, das dem eigenen Erscheinungsbild ähnelt.
"Schlepper vereinbaren für ein optimales Ergebnis sogar extra Frisörtermine mit den Migranten, damit sie dem ursprünglichen Passinhaber so ähnlich wie möglich sehen", erklärt der Experte. Alles für einen Preis von 100 bis 200 Euro.
Passverlust melden
Warum die Flüchtlinge mit den gestohlenen Pässen nicht auffallen, wenn Sie etwa per Flugzeug weiterreisen? "Weil es leider auch so ist, dass viele Besitzer oft nicht merken, dass ihr Pass nicht mehr da ist, oder den Diebstahl erst gar nicht melden", erklärt das Gegenüber.
Oder: Ihren Pass bewusst für die kriminellen Machenschaften weiterverkaufen. "Den echten Passinhabern wird von den Schleppern eine gewisse Summe geboten, damit sie ihr Dokument weiterverkaufen. Sie selbst haben ja die Gewissheit, dass sie sich jederzeit ein neues Dokument besorgen können", erklärt der Experte.
High-Tech-Pass
Durch das Vorgehen auf gestohlene bzw. verkaufte Dokumente, sowie die Ähnlichkeit mit dem echten Inhaber zu setzten, ersparen sich die Kriminellen auch die Fälschungen. Die immer aufwändiger werden, da sich die Sicherheitsstandards für Passe regelmäßig erhöhen. So wurde erst im vergangenen Dezember der neue High-Tech-Pass in Österreich präsentiert.
Kippeffekte, Wasserzeichen und nur unter UV-Licht sichtbare Komponenten prägen das Reisedokument. Insgesamt acht Mal findet sich das Foto des Besitzers im Pass. Nicht immer mit freiem Auge sichtbar.
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