Den Mutigen gehört die Welt, heißt es so schön. Wer unterhalb der Mündung des Wien-Flusses, zum Beispiel bei der Strandbar Herrmann, die Füße ins Wasser streckt, rührt damit in einer grün-algigen Suppe um. Bilder von den olympischen Schwimmbewerben in der Pariser Seine tauchen zwangsläufig auf.
Der Naturwissenschafter Wolfgang Vogl bleibt seinem Naturell entsprechend: gelassen, konzentriert, neugierig.
Routiniert taucht er einen Messbecher in das Wiener Wasser und entnimmt damit eine Probe.
Seine Firma, die Vienna Water Monitoring Solutions GesmbH mit Sitz in Zwerndorf im nö. Weinviertel,ist übrigens weltweit gefragt. Nicht nur, aber auch in Paris: „Die Stadt Paris analysiert schon seit 2019 mit dem von uns entwickelten Messgerät, dem Coli-Minder, die Wasserqualität der Seine.“
Gemessen werden auch heute im Donaukanal - auf KURIER-Bitte - zwei Indikatoren. Beide können Auskunft geben über die fäkale Verunreinigung: zum einen sind das die E.Coli-Bakterien, zum anderen die Enterokokken.
Wolfgang Vogl hängt jetzt einen dünnen Schlauch in seinen Messbecher mit der Wasserprobe. Der Schlauch führt direkt zu seinem Coli-Minder.
Die technische Besonderheit seiner Entwicklung beschreibt er so: "Die herkömmliche Messmethode wird bis heute manuell durchgeführt und liefert erst nach 18 bis 72 Stunden Ergebnisse. Der ColiMinder liefert uns bereits nach 15 Minuten ein Resultat.“
Gesagt. Gemessen.
Wolfgang Vogl lächelt, die Spannung steigt, dann sagt er: „In der Donau haben wir heute den Aktivitätswert 2,39 gemessen, die Werte in der Seine liegen je nach Witterung zwischen 8 und 250.“ Zur Einordnung: „Ab 10 kann Schwimmen nicht mehr empfohlen werden.“
Und der Donaukanal? "Da sind wir gerade bei 4,84."
Was heißt das genau für die mehr werdenden Schwimmer und Schwimmerinnen im Donaukanal? "Dass Schwimmen im Moment der Messung grundsätzlich unbedenklich war."
Dieses Ergebnis ist insofern spannend, als die Behörden nur sporadisch messen und keine Messdaten aus dem Donaukanal öffentlich machen - und der Schwimmverein Donaukanal gerne verlautbaren lässt, dass Baden im Kanal nicht die Gesundheit der Badenden gefährdet.
Wolfgang Vogl wäre nicht ein akribischer Wissenschafter, würde ihn jetzt nicht der weitere Erkenntnis-Drang erfassen. Daher misst er auch noch oberhalb der Wien-Fluss-Mündung (3,49) und im oberen Bereich bei Nussdorf (3,04), was die Wassergüte in den zufließenden Kanälen und im Wien-Fluss infrage stellt.
Und nun die Gretchenfrage, Herr Diplomingenieur: Würden Sie im Donaukanal schwimmen? Wolfgang Vogls Antwort kommt postwendend: "Nur dann, wenn kurz zuvor gemessen wurde."
Seine Erklärung: "Messungen sind immer nur Momentaufnahmen." Schwere Regenfälle etwa können die Wasserqualität sofort verschlechtern.
In der Seine und auch in anderen Gewässern wird mit dem nö. Coli-Minder (ein Messgerät kostet rund 50.000 Euro) permanent gemessen, in Wien (noch) nicht derart genau.
Der Donaukanal ist ein Donauarm in Wien. Er wurde auch Wiener Wasser oder Wiener Arm genannt.
Enzymaktivität: Die in diesem Artikel angeführten Werte geben Auskunft über die Aktivität von speziellen Enzymen. Diese sind wiederum ein Indikator für die Verunreinigung eines Gewässers mit Fäkalien.
17,3 Kilometer ist der Donaukanal lang. Er zweigt bei Nussdorf von der Donau ab und mündet nahe dem Alberner Hafen beim Praterspitz wieder in den Hauptstrom.
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