Circus & Clownmuseum in Wien: Warum eine rote Nase noch keinen Clown macht

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Warum auch Zirkusgeschichte ein Teil der Wiener Stadtgeschichte ist und welche Philosophie Clowns eigentlich vermitteln wollen. Ein Besuch im Museum.

„Diese Schuhe sind unser ältestes Ausstellungsstück“, sagt Andreas Swatosch, und hebt einen überdimensionierten schwarzen Lederschuh von einem Regal. Er gehörte einst dem Clown Amedeo Belai, der in den 1930er-Jahren im Wiener Zirkus Medrano damit auftrat. „Er ist fast 100 Jahre alt“, sagt Swatosch andächtig. Und er ist nur eines von unzähligen Exponaten, die hier, im Wiener Circus & Clownmuseum, zu besichtigen sind.

Im Raum ist es leicht schummrig, ein roter Samtbaldachin vermittelt Zirkuszeltatmosphäre. Dass sich das Museum in der Wiener Leopoldstadt befindet, ist mehr als stimmig. „Der 2. Bezirk war immer das Zentrum der Wiener Unterhaltungskunst“, sagt Michael Swatosch, der das Museum mit zwei Stellvertretern – einer davon sein Bruder Andreas – leitet.

Ein Stück Wien

Im 2. Bezirk befanden sich die großen Varietés, Artistencafés und auch der erste Wiener Zirkus mit einem fixen Gebäude: der im Jahr 1808 eröffnete Zirkus Gymnastikus. Und hier, im heutigen Stuwerviertel, befand sich einst die große Feuerwerkswiese, auf der der „k. k. privilegirte Kunst- und Lustfeuerwerker“ Johann Stuwer 1774 sein erstes Feuerwerk abbrannte. „Das waren aber nicht Feuerwerke wie heute, da wurden ganze Schlachten nachgespielt“, erzählt Michael Swatosch.

Den Brüdern Swatosch ist eines besonders wichtig: Im Museum, das zu den Wiener Bezirks- und Sondermuseen gehört, geht es auch viel um die Wiener Stadtgeschichte. Schließlich gehörte Wien im 19. Jahrhundert beim Aufkommen des modernen Zirkus zu den internationalen Vorreitern.

Alle Exponate hier haben Wien-Bezug – und zu allen können die Brüder eine Geschichte erzählen. So auch über die Bauchredner-Hundefigur im Raum, der den Zirkusartisten gewidmet ist. „David Copperfield war bei uns zu Besuch und wollte den Hund sehen. Er hat ja selbst als Bauchredner begonnen. Als der Michael ihm den Hund von der Vitrine holen wollte, hat sich der Kopf gelöst und ist dem Copperfield auf den Kopf gefallen“, erzählt Andreas Swatosch. „Zum Glück hat er uns nicht verklagt.“

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Der Hundekopf, der es auf  Copperfield abgesehen hatte. 

Der Clown als Spiegel

Man merkt den beiden die Begeisterung für das Thema an. Eigentlich sind – oder waren – sie Lehrer. „Aber als Lehrer muss man ja auch etwas Vernünftiges machen“, sagt Andreas Swatosch mit einem Augenzwinkern. Zudem sind sie als Hobbyzauberkünstler tätig. Und wie alle in den Wiener Bezirks- und Sondermuseen arbeiten auch die Gebrüder Swatosch ehrenamtlich. Ihre Motivation? „Die Leidenschaft für das Thema, dass man etwas Sinnvolles macht. Auf die Uhr darf man halt nicht schauen, die Zeit, die man hier verbringt, ist unendlich“, sagt Michael Swatosch.

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Eines der Highlights: Das bunte Damenkostüm gehörte einst Josephine Baker.   

Mit einem Ruck öffnen die Brüder den roten Samtvorhang zum nächsten Ausstellungsraum. Eine gewisse Dramatik gehört eben dazu im Showbusiness. „Das ist der Raum der Clowns“, sagen sie. Diese Erklärung hätte es gar nicht gebraucht: Auf einer Bühne stehen hier die verschiedenen Clown-Archetypen, etwa der obergescheite Weißclown oder der dumme August mit den zu großen Schuhen.

Hinter den Figuren steht eine eigene Philosophie. „Die Clowns beobachten ja in Wirklichkeit uns. Sie spielen nach, was sie sehen und übertreiben. Dadurch wird es für uns lustig – aber eigentlich lachen wir über uns selbst“, erklärt Michael Swatosch. Die Clownerie werde gerne als kindisch abgetan, sagt auch sein Bruder. Dabei habe sie einen großen kulturellen Wert. „Denken Sie nur an Charlie Chaplin.“

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Die nachgeschneiderte Unterhose der „Dicken Mitzi“. 

Die dicke Mitzi

Passenderweise in einem Seitenraum geht es um die sogenannten „Side-Show-Charaktere“, oft Menschen mit körperlichen Besonderheiten oder inszenierten „Monstrositäten“, die vor einem Publikum zur Schau gestellt wurden. In Wien brachte es so die Praterlegende „Dicke Mitzi“ in den 1920er- und 1930er-Jahren zu Berühmtheit. Ihre riesige Unterhose, mit der ihr Mann vor der Bude Schaulustige anlockte, ließen die Swatoschs nachschneidern. „Die Mitzi war natürlich schwer diabeteskrank und ist mit 54 Jahren gestorben. Aber sie war ein echtes Wiener Original“, sagt Andreas Swatosch.

Beim Ausgang liegen Postkarten, darauf zu sehen: Katzen mit roten Clownsnasen. Die Nasen wurden reinretouchiert, die Katzen sind echt und gehören Michael Swatosch. „Die ganz links heißt Houdini.“

Sie ist wohl Entfesselungskünstlerin.

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