Brauner: "Chinesen wollen nach Wien"
Beim Forum Alpbach diskutieren Wiens Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SP) und Wolfgang Hesoun, Präsident der Wiener Industriellenvereinigung, über die Zukunft Wiens als Industriestandort. Dem KURIER gaben sie zuvor ein Interview.
KURIER: Frau Brauner, warum sollte sich ein Industrieunternehmen noch in Wien ansiedeln?
Renate Brauner: Weil Wien gute Rahmenbedingungen bietet: Bestausgebildete Mitarbeiter, tolle Infrastruktur, eine hohe Lebensqualität, viel Sicherheit, auch Rechtssicherheit. Und es gibt maßgeschneiderte Förderungen.
Dafür gibt es in Wien wenig große Flächen für Betriebe.
Brauner: In den inneren Bezirken ist es natürlich eng. Aber ich kämpfe darum, dass wir auf die Betriebe nicht vergessen. Das Motto der neuen Seestadt Aspern etwa ist Leben und Arbeiten. So errichtet hier die Firma Hörbiger eine neue, größere Betriebsstätte mit 530 Arbeitsplätzen.
Sind weitere Industriebetriebe am Standort Aspern geplant?
Brauner: Ja, wir haben eine Vielzahl von Interessenten. Und wir haben schon General Motors dort. Dazu gibt es eine tolle Forschungskooperation mit der Firma Siemens.
Herr Hesoun, warum noch Industrie in der Großstadt?
Wolfgang Hesoun: Wir haben in der Stadt alle Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um einen Betrieb erfolgreich zu führen. Generell sind urbane Ballungsräume stark im Steigen, sodass es schwieriger wird, gut ausgebildete Akademiker für Betriebe in den Bundesländern zu finden.
Menschen, die in der Stadt leben, haben aber selten Freude an Schornsteinen.
Hesoun: Die Art der Produktion gibt es kaum mehr, und wenn, haben diese Betriebe spezielle Filter. In unserem Mobilitätswerk in Simmering produzieren wir Hightech ohne Schornsteine.
Anrainerbeschwerden und Umweltauflagen sehen Sie also nicht so dramatisch?
Hesoun: Nicht, wenn es eine intelligente Stadtplanung gibt, die die Ansiedelung von Industrie mitdenkt – etwa in der Seestadt Aspern. Üblicherweise werden ja keine neuen Betriebe in Wohngebieten errichtet. Problematischer ist die Situation im Altbestand, wo Betriebe in gewachsenen Wohngebieten produzieren.
Man könnte aber auch einen Kilometer vor der Stadtgrenze einen neuen Betrieb hinbauen.
Brauner: Da können Sie dann aber nicht mit der U-Bahn hinfahren.
Dennoch dürfte Wien als Industriestandort schrumpfen: Im Jahr 2000 arbeiteten 143.000 Menschen in der Industrie. 2010 waren es nur noch 119.000.
Hesoun: Sie müssen berücksichtigen, dass die Industrie viele Aufgaben in Dienstleistungsbetriebe ausgelagert hat, etwa in Bereichen der Sicherheit oder der Reinigung. Diese Jobs muss man mitberücksichtigen. Erst dann kann man die Zahlen vergleichen. Die Wertschöpfung der Industrie hat sich von 2000 bis 2010 in Wien von 9,5 Milliarden auf 11,8 Milliarden Euro erhöht.
Einst war Wien Drehscheibe in den Osten. Ist das noch aktuell?
Brauner: Wien ist nach wie vor eine Drehscheibe. Mittlerweile siedeln sich aus den russischen Staaten genau so viele Unternehmen an, wie aus Deutschland. Wir haben 200 Headquarters. Wir haben aber auch jedes Jahr zahlreiche chinesische Unternehmen zu Besuch. Alle Chinesen wollen nach Wien. Die fragen gar nicht woanders an.
Was machen Sie, um Unternehmen nach Wien zu holen?
Brauner: Wir haben ein Expat- Center ins Leben gerufen, das die großen Unternehmen bei der Ansiedelung unterstützt. Wir fördern mit einer Ansiedelungsförderung und beraten bei der Suche von Grundstücken, bei Gesetzen und Genehmigungen. Wir helfen aber auch CEOs bei der Wohnungssuche, der Jobsuche für deren Partner, oder auch dabei, den richtigen Kindergartenplatz zu finden. Alles das ist in einem Expat- Center der Wirtschaftsagentur Wien zusammen gefasst.
Das machen andere Städte auch.
Brauner: Die sind aber nicht zum vierten Mal hintereinander Weltmeister in der Lebensqualität.
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