Böhmischer Prater: Ringelspiel zu verkaufen
"Tipitipitipso, beim Calypso... ", trällert die junge Caterina Valente aus antiquarischen Lautsprechern, während Rosi, Hans und die anderen altehrwürdigen Rösser unermüdlich ihre Runden drehen. Für zwei Euro setzen sich die handgeschnitzten Schimmel, die einander nur auf den ersten Blick gleichen, wie ein Ei dem anderen – in Wahrheit sind Mähne, Miene und Zaumzeug jeweils individuell gestaltet – in Bewegung.
Damit sieht binnen weniger Wochen die zweite Prater-Institution einer ungewissen Zukunft entgegen. Wie berichtet, sperrt im Wurstelprater ja das "1. Wiener Ponny-Caroussel" mit Saisonende zu. Zum einen, weil es seit Jahren keine Gewinne mehr einfährt. Zum anderen, weil man immer öfter der Tierquälerei bezichtigt und beschimpft werde, wie die Betreiberfirma erklärt. Was aus der 1887 eröffneten Attraktion wird, stehe in den Sternen.
599.000 Euro
Im Böhmischen Prater wechselt dagegen hoffentlich nur der Besitzer des Ringelspiels. In Herrn Mayers Fall geht es auch nicht um Tierschutz. Obwohl seine Pferde nicht mehr die jüngsten sind. Zwischen 1840 und 1860 sollen sie angefertigt worden sein – "also im romantischen Historismus", wie der Schausteller erklärt.
Und zwar nicht nur das denkmalgeschützte Karussell am Laaer Berg, zu dem außer den original erhaltenen Holzpferden und -kutschen ein Feuerwehrauto und ein Hubschrauber aus den 1950ern gehören. Sondern auch die "Pit-Pat"-Tisch-Minigolf-Anlage, das "Eurobungee"-Trampolin, eine achtschiffige Kinderschaukel sowie sein Haus (drei Etagen zu je 90 , voll unterkellert, mit Pool), das auf 2700 Pachtgrund der Gemeinde Wien steht. Für alles zusammen hat sich Herr Mayer 599.000 Euro vorgestellt. Wobei er sich sicher ist: "Es wär’ mehr wert."
Nur seine Attraktionen zu verkaufen und daneben in seinem Geburtshaus wohnen zu bleiben, lasse der Pachtvertrag nicht zu. Sei das Wohnrecht der Schausteller doch an ihr Geschäft gebunden. Herr Mayer könnte es sich aber auch gar nicht vorstellen: "Das würde ich seelisch nicht aushalten, wenn ich seh’, was ein anderer mit meinem Geschäft macht." Mit dem Geschäft, in dem er seit seinem zehnten Lebensjahr mitgearbeitet hat. Wo er seit 52 Jahren hinter der Kassa steht. Denn das ist fix: mitnehmen kann ein Käufer das Karussell nicht. Es muss an seinem Standort bleiben.
Bankomat erwünscht
Dass der Böhmische Prater nicht gerade seine beste Zeit erlebt, habe mit der Entscheidung zu verkaufen jedenfalls nicht zu tun, betont Herr Mayer. "Es war immer ein Auf und Ab: Nach dem ersten Weltkrieg war’s eine Goldgrube, nach dem zweiten Weltkrieg ging es schlecht, in den 50ern und 60ern war’s ein super Geschäft, in den 70ern war dann unter der Woche fast alles zu und in den 80ern ist es sukzessive wieder bergaufgegangen."
Quintessenz: es wird schon wieder besser werden. Auch wenn die Jungen lieber in den Wurstelprater gehen, "weil sie es nicht hoch und schnell und wild genug haben können". Beim KURIER-Lokalaugenschein an einem Nachmittag unter der Woche ist im Böhmischen Prater zwar so gut wie nichts los – schlechtreden dürfe man ihn aber auch nicht, sagt Herr Mayer. "Wir leben von unseren Stammgästen. Viele waren schon in ihrer Kindheit da. Und jetzt kommen sie mit ihren Enkelkindern."
Aktuell wird am Laaer Berg übrigens nicht nur ein Käufer für das denkmalgeschützte Ringelspiel gesucht. Sondern auch ein Geldinstitut, das gewillt ist, einen Bankomaten zu installieren. Den Standort würde der Obmann der Prater-Unternehmer, Franz Reinhardt, unentgeltlich zur Verfügung stellen.
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