Flüchtlinge wollen über Auszug verhandeln

APA11253754 - 01022013 - WIEN - ÖSTERREICH: Ayslsuchende am Freitag, 01. Februar 2013, während der Pressekonferenz in der Votivkirche in Wien. Es halten sich rund vierzig Flüchtlinge in der Kirche auf.. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Der Bundespräsident appellierte an die Besetzer, zu übersiedeln - ab Sonntag wollen sie verhandeln.

Die Flüchtlinge, die seit mehreren Wochen die Wiener Votivkirche besetzen, wollen ab Sonntag mit der Caritas und der Diözese über eine mögliche Übersiedlung in ein anderes Quartier verhandeln. Der Ausgang dieser Gespräche sei aber offen, hieß es am Donnerstag aus dem Kreis der Aktivisten. Die Caritas betonte, laufend im Gespräch mit den Asylwerbern zu sein, konkrete Pläne zum Auszug gebe es aber noch nicht.

Mir Jahangir, einer der Besetzer, erklärte im Ö1-"Mittagsjournal": "Wenn wir tot sind, ist das keine Lösung. Vielleicht starten wir nächste Woche einen Dialog und übersiedeln dann woanders hin. Ich hoffe es." Sie wollen jedoch eine Garantie dafür, dass "die Behörden nicht unsere Gruppe zerstören und aufteilen", erklärte Adalat Khan, ebenfalls ein Betroffener.

Zunächst warten die Flüchtlinge aber die Solidaritäts-Demo am Samstag in Wien ab. Gleich danach wolle man mit der Kirche und der Caritas in konkrete Verhandlungen treten und die Bedingungen diskutieren. So könnten die Flüchtlinge, wenn in den anderen Quartieren ein ähnlicher Schutz wie in der Votivkirche geboten werde, schlussendlich übersiedeln. Der Auszug stehe nicht unmittelbar bevor, es seien jedoch konkrete Verhandlungen ab Sonntag gewünscht, hieß es aus dem Kreis der Aktivisten.

Brief des Bundespräsidenten

Flüchtlinge wollen über Auszug verhandeln
Ein Ayslsuchender im provisorischen Lager in der Votivkirche in Wien.
Bundespräsident Heinz Fischer hatte zuvor an die in der Wiener Votivkirche ausharrenden Flüchtlinge appelliert, in das von der Kirche angebotene Ausweichquartier zu übersiedeln. Dies wäre "ein wichtiger und positiver Schritt in die richtige Richtung", heißt es in einemMittwochabend auf der Website des Bundespräsidenten veröffentlichten Antwortschreibenan die Refugees.

Fischer versprach Hilfe im Rahmen der geltenden Gesetze und berief sich auf Gespräche mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) und der Caritas. Man wolle die derzeitige gesundheitsgefährdende und für alle Beteiligten im höchsten Maße unbefriedigende Lage verbessern, erklärte er. Über die Gesetzeslage, über Gerichtsentscheidungen oder über die Abgrenzung verschiedener Verantwortungsbereiche in Österreich könne man sich aber nicht hinwegsetzen. "In dieser Beziehung gibt es offenbar einen Unterschied zwischen Österreich und den Erfahrungen, die Sie vielleicht in anderen Ländern gemacht haben."

"Nötig, die Kirche zu verlassen"

Mit einer Übersiedlung wäre eine Grundlage geschaffen, damit in Gesprächen mit jedem einzelnen Betroffenen eine individuelle Perspektivenabklärung erfolgen könne, so Fischer, der um Vertrauen in die entsprechende Zusage der Innenministerin warb. "Dazu ist es aber notwendig, dass Sie die Kirche verlassen." Er betonte, dass es die verfassungsmäßigen Rechte des Bundespräsidenten nicht zuließen, sich in einzelne Verfahren einzuschalten. Auch ein allgemeines Bleiberecht sehe die österreichische Rechtslage nicht vor.

Innenministerium: Kein weiterer Runder Tisch

Die Caritas äußerte einmal mehr ihre Sorge über den Gesundheitszustand der Betroffenen in der Kirche. In den vergangenen zwei Tagen habe es rund 15 Rettungseinsätze gegeben.

Das Innenministerium hielt am Donnerstag indes fest, dass es keinen weiteren Runden Tisch mit den Flüchtlingen geben wird, ebenso wenig wie strukturelle Änderungen im österreichischen Asylwesen. Die Positionen des Bundespräsidenten in seinem Brief würden sich mit jenen des Ministeriums decken, hieß es aus dem Ressort. Weiterhin lege man den Flüchtlingen nahe, die kalte Kirche zu verlassen und in die angebotenen Quartiere zu übersiedeln.

Das Ministerium wies zudem darauf hin, dass sich der Anteil der Personen in der Votivkirche mit negativem Asylbescheid seit Beginn der Besetzung erhöht hat. Wesentlich für Asylverfahren sei die Mitwirkung des Antragstellers. Aufgrund etwa von versäumten Fristen mangle es jedoch zum Teil an dieser Mitwirkung. Die Folge sei eine höhere Zahl von Personen mit rechtskräftigen negativen Bescheiden.

"Unverhältnismäßig": So lautet der Befund von NGOs zur Räumung des Flüchtlings-Camps durch die Polizei im Sigmund-Freud-Park kurz vor dem Jahreswechsel. Jetzt liegt eine offizielle Einschätzung vor. Das Innenministerium evaluierte den Einsatz der Wiener Kollegen. Robert Strondl, Leiter der „Einsatzabteilung“ im Innenministerium: „Die rechtliche Begründung (Anm. ein Verstoß gegen die Campierverordung) war plausibel, schlüssig und nachvollziehbar.“ Die Grundsätze „der Deeskalation und Verhältnismäßigkeit“ seien gewahrt worden.

Rückblende: Am 24. November marschierten Flüchtlinge von Traiskirchen nach Wien, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Eine kleine Zelt-Siedlung im Freud-Park blieb fortan dort stehen. Vier Tage nach dem Heiligen Abend fand die Polizeiaktion statt: Uniformierte und MA 48-Mitarbeiter räumten das Areal – unter Zuhilfenahme von Baggern.

Die Zelte seien am Tag der Demo legal, danach aber illegal gewesen, betonte die Polizei. Überdies sei die MA 48, die den Baggereinsatz veranlasst habe, von Beginn an informiert gewesen. Die Evaluierungsgruppe regt nun an, auf Länderebene bei solchen Einsätzen den Menschenrechtsbeirat zu verständigen.

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