Berlin will österreichische Lehrer
Droht Wien ein Mangel an Volksschullehrern? Und droht er gar, weil Berlin in Österreich Pädagogen rekrutiert? Ein entsprechender Bericht der Berliner Zeitung sorgte am Mittwoch für Aufsehen. Aufgrund steigender Schülerzahlen, vieler Pensionierungen und der hohen Zahl an Flüchtlingskindern herrsche in der Deutschen Bundeshauptstadt eklatanter Lehrermangel – man suche nun nach qualifiziertem Personal in Nachbarländern.
Laut dem Bericht gebe es Überlegungen, in Österreich und in den Niederlanden zu rekrutieren – also in Regionen, "wo viele auch gut Deutsch sprechen". Nicht gezielt suchen wolle man in der Schweiz – jedoch nicht der Sprache wegen. Schweizer seien schlicht ein höheres Lohnniveau gewöhnt.
Beate Stoffers, Pressesprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, relativiert gegenüber dem KURIER: Man wolle "über den Tellerrand schauen" und es gebe Überlegungen, Personal anderswo zu suchen – jedoch noch keine konkreten Maßnahmen. "Aber natürlich freuen wir uns, wenn Bewerbungen nach Berlin geschickt werden", ergänzt sie.
Höheres Gehalt
Doch wie sind die Arbeitsbedingungen in Berlin? Freilich gilt die Stadt als attraktive Destination, zudem verdienen Lehrer mehr: Stoffers beziffert das monatliche Einstiegsgehalt eines Grundschullehrers mit rund 4300 Euro. In Österreich beträgt das Einstiegsgehalt (Vollzeit, unbefristet) laut Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) 2210,40 Euro monatlich.
Für Anna M. (Name von der Redaktion geändert), die seit drei Jahren in Wien als Volksschullehrerin arbeitet, ist Geld kein zentrales Kriterium, um zu wechseln: "Unsere Probleme sind eher, dass wir zu wenige Räume und Unterrichtsmaterialien haben." Und die Bezahlung sei für einen Einsteiger Anfang 20 ohnehin nicht übel: "Unser Beruf ist eher eine Berufung. Wegen der Bezahlung wird man nicht Lehrer." Zudem gibt sie zu bedenken: "Berlin ist eine Großstadt mit vielen Brennpunktschulen. Das ist auch nicht das Paradies."
Bürokratische Hürden
Hinzu kommen bürokratische Hürden: In Berlin gehen Kinder sechs Jahre lang in die Grundschule, Lehrer werden anders ausgebildet. Allerhand Bürokratie und eventuell auch Schulungen sind notwendig, möchte man in Deutschland als Grundschullehrer arbeiten.
Zudem ist Volksschullehrer in Wien derzeit ein vergleichsweise sicherer Job: "Wien wächst stark, wir brauchen mehr Pädagogen", heißt es aus dem Büro des Wiener Stadtschulrats. Beim AMS Wien waren im Jänner 132 jobsuchende Volksschullehrer gemeldet. 41 davon waren Österreicher: Erfahrungsgemäß handle es sich dabei häufig um Menschen, die aus der Babypause kommen oder erst kurz in Wien wohnen. Der Rest stamme aus dem Ausland, hier ist die Jobsuche aufgrund der Sprachbarriere freilich schwieriger.
"Bleiben Sie in Wien. Hier ist es auch attraktiv, um zu arbeiten"
Noch drohe kein Lehrermangel, sagt man im Stadtschulrat: Derzeit gebe es genügend Absolventen der Pädagogischen Hochschule, um den Bedarf zu decken. Aktuell absolvieren 610 Personen diese Ausbildung. Ihnen rät man seitens des Stadtschulrates: "Bleiben Sie in Wien. Hier ist es auch attraktiv, um zu arbeiten." Denn steigen werde der Bedarf sehr wohl.
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