Die Rebellen vom Wilhelminenberg
Bürgerinitiativen müssen laut sein. Das liegt irgendwie in ihrer Natur. Doch kaum eine war in den vergangenen Jahren so laut wie die im Jahr 2017 gegründete Gruppe „Pro Wilhelminenberg 2030“ – kurz PWB 2030.
Mit Tausenden Mails, Hunderten Aussendungen und Internet-Postings sowie zahlreichen juristischen Mitteln kämpft die Initiative seit mittlerweile vier Jahren mit aller Kraft gegen ein Wohnbauprojekt in der Ottakringer Gallitzinstraße am Fuße des Wilhelminenbergs (siehe Karte unten). Am Freitag hat man wieder einen Anlauf genommen – und der Presse erneut sämtliche Kritikpunkte vorgetragen.
Die Gallitzinstraße, das ist eine ruhige Ecke: Ab der Abzweigung zur Johann-Staud-Straße sinkt die Zahl der Passanten genau so schnell wie die Zahl der Einfamilienhäuser zunimmt, das einzige Geräusch ist das Zwitschern der Vögel. Hier sollen auf dem aufgelassenen Gelände einer Friedhofsgärtnerei – aufgeteilt auf acht Gebäude – insgesamt 200 Wohneinheiten (die Hälfte gefördert, die andere Hälfte frei finanziert) und ein Kindergarten errichtet werden. Der entsprechende Beschluss im Gemeinderat erfolgte im Mai 2019 mit den Stimmen von Rot-Grün.
Der Initiative ist das zu viel – in jeder Hinsicht. „Ortsunüblich“ seien die Pläne. Die Gebäude zu hoch, die Bebauung zu dicht. Vor allem aber widerspreche die Flächenwidmung den Klimazielen der Stadt. Das am Rande des Biosphärenparks Wienerwald gelegene Liebhartstal, in dem der Bauplatz liegt, sei eine wichtige Verbindung des Grünlandes mit dem verbauten Stadtgebiet – etwa für Tiere.
Mehr Hitze
Zudem werde durch das Projekt eine zentrale Frischluftschneise in die Innenstadt verschlossen, dadurch verstärke sich der Hitzeinsel-Effekt. Zu guter Letzt wirft PWB 2030 Stadt und Bezirk vor, „großmundig“ von Bürgerbeteiligung zu sprechen, wenn es hart auf hart kommt, aber „alles, was uns versprochen wird“, zu vergessen.
Unterstützung erhielt die Initiative von der Opposition – zum Zeitpunkt der Beschlüsse der Umwidmung für das Projekt waren das die ÖVP, die FPÖ und die Neos. Alle drei forderten eine Redimensionierung des Projekts.
Kleine Fische, große Fische
Fragt man bei Anrainern vor Ort nach, stößt man ebenfalls auf sanfte Unterstützung des Protests. Er habe die Petition der Initiative wie 4.000 auch „schon unterschrieben“, sagt Dzemii Vlasi. Der gebürtige Mazedonier betreibt einen Blumenhandel gegenüber des Bauplatzes. Ganz so wichtig scheint ihm die Sache aber nicht zu sein. Außerdem: „Was soll der kleine Fisch gegen den großen Fisch ausrichten?“ Ähnliches hört man bei einer weiteren Gärtnerei gegenüber.
Der große Fisch, das ist das Konsortium, das hier bauen will. Die Initiative spricht von einer „im Vorfeld abgesprochenen Anlass-Wunschwidmung“. Diese sei genau so umgesetzt worden, wie beantragt. Der Vorwurf: „Die Bauträger zeichnen der MA 21 die Flächenwidmungspläne“.
Alles sauber
Die Stadt kontert: „Der Stadtrechnungshof hat in einem Prüfverfahren die Korrektheit des Verfahrens festgestellt“, heißt es auf KURIER-Anfrage. Auch der Bezirk betont, alles sei ordnungsgemäß abgelaufen. Auch seien im Zuge des Widmungsverfahrens Korrekturen eingearbeitet und einzelne Gebäude niedriger umgeplant worden. Zudem werde deutlich weniger dicht bebaut als eigentlich erlaubt.
Bereits in den vergangenen Jahren wurde immer wieder von einem „ökologischen Vorzeigeprojekt“ gesprochen. Es gebe begrünte Dächer und eine 1.000 Quadratmeter große Blumenwiese, der Baumbestand werde schonend behandelt. Ein Gutachten bescheinigt dem Projekt schließlich „keine relevanten Schlechterstellungen aus klimatologischer Sicht“.
Für die Initiative ist das eine Farce. Für sie geht der Kampf weiter. Sobald die finale Baubewilligung vorliegt, will man sie bekämpfen. Wann das sein wird, ist offen.
Kein Ende in Sicht.
Kommentare