Badesaison in Wien eröffnet: Ottakring statt Jamaika

Ottakringer Bad
Obwohl es frühsommerlich warm ist, bleibt der Ansturm noch aus. Beim Lokalaugenschein hat der KURIER aber einige Stammgäste getroffen.

Seit Montag haben alle 17 Freibäder in Wien geöffnet. Kaiserwetter am Dienstag, doch noch ist wenig los. Nur zehn Badegäste verlaufen sich am Vormittag ins Ottakringer Bad. In dem „Arbeiterbad“ misst ein Thermometer 20 Grad Außentemperatur. Am Eingang steht auf einer alten Tafel in Kreide das Tagesangebot geschrieben: faschierte Laibchen mit Püree für 8,50 Euro.

Neben dem Schwimmbecken gibt es hier auch einen großen Spielplatz, eine bunte Wasserrutsche sowie Tier-Statuen, die den Besuch vor allem für Kleinkinder zum Erlebnis machen. Jedoch sind an diesem warmen Vormittag nur schwimmende Pensionisten zu sehen.

Hermine, 78, sitzt auf einem gelben Liegestuhl. Fröhlich, wie auch ihr farbenfroher Badeanzug, trinkt sie einen kalten Latte macchiato. Sie ist gut gelaunt und genießt hier die schönen Tage, die sie in bester Gesellschaft mit ihrem Ehemann und anderen Badegästen verbringt.

Badesaison in Wien eröffnet: Ottakring statt Jamaika

Trotz 20 Grad Außentemperatur ist im Ottakringer Bad wenig los

Dauerbadegast seit 1941

Ihr Ehemann ist der 81-jährige Manfred aus Penzing. Er genießt die Sonne und bezeichnet sich als „Dienstältester im Bad“. Als Beleg dafür hat er ein Babyfoto zu Hause, das ihn beim Planschen im Jahr 1941 zeigt. Auch heute noch ist der Pensionist täglich im Bad anzutreffen: „Endlich ist Corona vorbei und hier bin ich, weil mir das Spaß macht. Hier habe ich Luft, Sonne sowie Freunde, mit denen ich deppert daherreden kann.“

Ortswechsel nach Döbling: Die Sonne spiegelt sich im Becken, der Rasenmähertraktor tuckert über die saftig grüne Wiese. Im Krapfenwaldlbad fühlt sich an diesem herrlichen Maitag schon alles wie im Sommer an.

Auch hier gähnende Leere: Nur elf Gäste sind beim KURIER-Lokalaugenschein gerade im Bad.

Sonnenhungrig

„Gestern Abend bin ich noch vor dem Kamin gesessen, heute liege ich im Freibad in der Sonne“, schmunzelt Stammgast Wolfgang Pohn. Der Döblinger kommt vormittags regelmäßig ins „Krawa“, wie das Bad im Bezirk gern genannt wird. „Sonnenhungrige Menschen wie ich genießen das, wenn noch nicht so viel los ist. Einfach ein bisschen in der Sonne liegen und faulenzen.“

Von der jüngeren Generation wird das ja gerne als „Chillen“ bezeichnet: Der 20-jährige Erik Eik ist mit seiner Freundin ins Krapfenwaldl gekommen. Auch sie wollen entspannen und Sonne tanken. „Ich war als Kind öfters hier, aber schon seit 15 Jahren nicht mehr.“

Den sonnigen Dienstag nutzt auch Pensionistin Susanne, um ins „Krawa“ zu kommen. „Die Atmosphäre, der Ausblick, die großen alten Bäume. Es ist einfach traumhaft“, schwärmt sie. Um Anfang Mai schon ins Freibad zu gehen, müsse man aber abgehärtet sein: „Das Wasser ist angenehm, aber der Wind ist schon noch recht kühl. Empfindlich darf man da nicht sein“, sagt sie und wendet ihren Blick wieder der Sonne zu.

Ottakringer Bad

Bereits im Mai braun gebrannt: Andi, 62

Braun gebrannt im Mai

Zurück in Ottakring: Im großen Becken schwimmt ein bereits im Mai braun gebrannter und für sein Alter gut aussehender Mann. Andi, wie ihn seine Freunde nennen, wird morgen 62. „Wenn es nicht regnet, bin ich jeden Tag hier. Mit den Öffis brauche ich ein paar Minuten hierher und das bereitet mir sehr viel Freude“, sagt der Mariahilfer, der seine Pension in einer großen österreichischen Bank verdient hat.

„Im Winter bin ich eigentlich in Ländern wie Jamaika oder den Kap Verden. Diese tropischen Destinationen ersetze ich im Sommer mit dem Ottakringer Bad“, scherzt der bald 62-Jährige. „Als Behinderter bekomme ich eine 6-Monats-Karte für nicht einmal 100 Euro. Was will man mehr?“ Nach seiner schon traditionellen Morgenschwimmrunde versteckt er sich im Sonnenbad für Männer, wo er seine Badehose ausziehen und die Sonne so genießen kann, wie Gott ihn schuf.

Kommentare