"Autofreie" City: Die Verkehrsbe(un)ruhigung der Unternehmer
Es passiert gar nicht so selten, dass die Kunden das Geschirrgeschäft Lackstätter relativ aufgeregt betreten. Nicht so sehr wegen des Geschirrs, das es dort zu erstehen gibt, sondern wegen André.
André, das ist der Chihuahua-Mischling von Betreiberin Cornelia Lackstätter. Und der macht es sich oft in der Auslage bequem. Unlängst etwa zwischen Einmachgläsern und Tontöpfen. „Die Leut’ glauben oft, er ist eingesperrt und kommt nicht mehr raus“, sagt Stefan Lackstätter. Dem ist aber nicht so, André kann einfach unten durchklettern.
Seit acht Jahren betreibt die Familie das Geschirrgeschäft auf der Nummer 18, Geschirr verkauft wird an dem Standort aber schon seit 1920. Das ist eine lange Zeit für ein Geschirrgeschäft, aber gar nicht so lang für ein
Geschäft in der Wollzeile. Denn die Einkaufstraße in der Inneren Stadt vermarktet sich als „die wienerischste Einkaufsstraße“. Ob das so ist, sei dahingestellt, jedenfalls ist die Wollzeile aber eine Einkaufsstraße mit viel Tradition.
Tradition
Das Papierhaus A. Katzer besteht seit 1837, die Teehandlung Schönbichler seit 1870. Die Apotheke ist aus 1760, das Café Diglas gibt es seit 1923.
Zuletzt war in der Wollzeile aber nicht Vergangenes ein Thema, sondern das, was die Zukunft bringt. Die grün-türkise Ankündigung einer „autofreien Innenstadt“ hat einige der Unternehmer verunsichert. Magdalena Hassan, Obfrau der IG Kaufleute Wollzeile sagt sogar, man sei „alarmiert“ gewesen.
Dass viele Innenstädter alarmiert sind, macht sich derzeit der Bürgermeister zunutze: SPÖ-Chef Michael Ludwig ist – vorsichtig formuliert – unglücklich mit dem Projekt der grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein.
Darüber, wie es zustande kam (ohne ihn) und darüber, wie das Fahrverbot geregelt sein soll (mit vielen Ausnahmen und keiner Möglichkeit, seine Einhaltung zu kontrollieren). Und so begab sich der Bürgermeister am Freitag auf einen Lokalaugenschein in die Innere Stadt: „Ich will mir ein Bild machen, bevor ich entscheide.“
Nächste Woche soll das Rechtsgutachten zu Hebeins Verordnung fertig sein. Dann liegt es am Bürgermeister, zu entscheiden, ob die Verordnung in Kraft tritt. „Üblicherweise werden derartige Projekte zuerst hausintern mit allen Abteilungen abgesprochen und geprüft, bevor sie der Öffentlichkeit präsentiert werden. Aber die Vizebürgermeisterin hat einen anderen Weg gewählt“, sagt er.
Unterstützung erhält der Stadtchef von Dompfarrer Toni Faber, den er vor dem Stephansdom trifft. Wenn Gläubige aus den Bezirken nicht mehr mit dem Auto zur Messe fahren können, würden sie „ihrer spirituellen Tankstelle“ beraubt, fürchtet Faber. (Ob das Wortspiel beabsichtigt ist, bleibt unklar.) Er habe Angst, dass die Politik vor der Wahl „etwas übers Knie breche“.
Das gefällt dem Bürgermeister und passt in seine Argumentation: „Niemand ist per se gegen eine Verkehrsberuhigung, aber das Konzept muss stimmen“, sagt er. „Wir dürfen nicht nur Überschriften produzieren, bloß weil eine Wahl ansteht.“ Dann ist das Treffen auch schon vorbei und Ludwig zündet noch ein Kerzerl im Dom an. „So wie immer, wenn ich hier bin“, beeilt er sich zu sagen.
Lastenräder
Weiter geht es in der Buchhandlung Leporello, auch dort hat man fromme Wünsche: „Lastenfahrräder zum Ausborgen für die Kunden in der Innenstadt wären toll – so wie die Citybikes“, schlägt Chefin Rotraut Schöberl vor. Wieder eine Steilvorlage: „Die Citybikes haben wir auch gerettet“, freut sich der Bürgermeister.
Er beschließe „sicher nichts gegen die Wünsche der Wirtschaft“, die Lage sei seit Corona schwierig genug. Dass die Vizebürgermeisterin auch Roller aus der City verbannen wolle, stößt dagegen Karin Munk von der ARGE2Rad auf. Sie trifft Ludwig beim Würstelstand.
Ihr Problem: Mopeds und Motorräder dürfen in fast keiner Tiefgarage parken, somit sei die Zufahrt zur City für viele gar nicht mehr möglich. Und: Hebeins Verordnung sei verfassungswidrig, das habe man sich per Rechtsgutachten bestätigen lassen, sagt Munk.
Offen bleibt die Frage, wie Ludwig nun entscheiden will. Er selbst „will nichts vorwegnehmen“. Ein Verdacht liegt nahe: Sonderlich gut steht es nicht um Hebeins Pläne.
In der Wollzeile ist man übrigens nicht wegen der Verkehrsberuhigung an sich „alarmiert“. Man wünscht sich eine „wirklich schöne Begegnungszone“. Die Autoreduktion bewirke nur, dass die autofahrende Kundschaft verloren gehe und – weil die Straße ja nicht begrünt und daher nicht sehr hübsch wäre – keine neuen Kunden gewonnen werden können. Solche nämlich, die zu Fuß oder mit dem Rad kommen.
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