Aufbruchstimmung im Böhmischen Prater
Das kleine Riesenrad dreht sich ebenso wenig wie das märchenhafte Kaffeetassen-Karussell. Auf der Kinderautobahn warten vier Mini-Limousinen auf den Startschuss. Und am Kiosk nebenan stellt sich niemand um Eis am Stiel, Dreh&Drink und eingelegte Salzgurken an.
Im Böhmischen Prater steht noch alles still. Vor der Saisoneröffnung Mitte April nützen die Schausteller des historischen Vergnügungsparks mitten im Naturschutzgebiet des Laaer Bergs die Zeit für Instandhaltungsarbeiten – sowie für das Schmieden neuer Pläne. Nach langwierigen Pachtverhandlungen mit der Stadt macht sich unter den wenigen verbliebenen Unternehmern Aufbruchstimmung breit. Da kommt es wie gerufen, dass der Wien Tourismus die Besucher-Ströme entzerren und mehr in die Außenbezirke lenken möchte.
Böhmische Küche
Auf dem Areal des ehemaligen Spengler-Wirts wird schon einmal Platz geschaffen. Dort ist, wie berichtet, ein Biergarten mit 500 Sitzplätzen geplant – inklusive mobiler Brauerei, Konditorei und Eisdiele. Servieren will Hausherr Ernst Hrabalek neben selbst gebrautem Bier, Böhmische Spezialitäten. Die Idee stamme vom Favoritner Bezirkschef Marcus Franz, erzählt der 74-Jährige.
Das Gastroprojekt, das er im Frühjahr 2020 eröffnen will, soll aber keine Konkurrenz für die benachbarten Gasthäuser sein. Weder für den „Bier-Stadl“ von Josef Mann, der in der warmen Jahreszeit für Spareribs, Stelzen und mit Hochdruck gezapftes Budweiser bekannt ist. Noch für den bei Freunden des Wienerlieds beliebten „Werkelmann“ mit seinem Heurigen-Flair. Viel mehr brauche der Böhmische Prater jedes nur denkbare Standbein, um als Stück Wiener Geschichte erhalten zu bleiben, meint Hrabalek.
Dem Unternehmer gehört auch das wahrscheinlich älteste Holzkarussell Europas, in dem handgeschnitzte Schimmel seit 1890 im Kreis galoppieren und das Kaiser Franz Joseph einst eröffnet haben soll. Das nunmehrige Herzstück des „Park Hrabalek“, zu dem auch ein 6-D-Kino, eine Pit-Pat-Anlage, eine Kindergeisterbahn sowie ein zur Partylocation umfunktionierter Eisenbahnwaggon gehören, steht zwar bereits seit 1986 unter Denkmalschutz. Der Betreiber hofft aber, dass die UNESCO das altehrwürdige Ringelspiel zudem als Welterbe anerkennt. Die Einreichung ist bereits im Gange.
Ufo-Kult von 1972
Ein paar Meter weiter tut sich auch was. Pächter Michael Riedl verpasst dem urigen Veranstaltungszentrum „Tivoli“ gerade einen neuen Anstrich. Die in die Jahre gekommenen Tribünen werden ersetzt. Und hinter dem Tivoli stellte die Schaustellerfamilie vor Kurzem in neues Fahrgeschäft auf. Neu für die Besucher zumindest. Das renovierte „Ufo-Force“, Baujahr 1972, sei ein wahres Kultgeschäft, sagt Riedl. Erwachsene erinnere es an ihre Kindheit.
Von den beiden Hauptproblemen des Böhmischen Praters – der schlechten öffentlichen Anbindung und dem Parkplatzmangel – soll im Laufe des Jahres übrigens nur eines übrig bleiben. Bei der ehemaligen Anschlussstelle Simmering wird an der Ostbahn Raum für einen Parkplatz frei, heißt es seitens des Bezirks. Von dort betrage die Gehzeit zirka zehn Minuten.
Entstanden ist der Böhmische Prater übrigens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aus der ursprünglichen Werkskantine der Wiener Ziegelwerke entstand zu dieser Zeit das erste Ausflugsgasthaus auf dem Laaer Berg. Bis 1883 siedelten sich zahlreiche Schaustellerfamilien im Böhmischen Prater an. Sie stammten, wie auch die Arbeiter der Ziegelfabrik, vorwiegend aus den österreichischen Kronländern Böhmen und Mähren und waren damit namensgebend für die neue Wiener Attraktion. In den folgenden Jahren kam es zur stetigen Vergrößerung des Vergnügungsparks. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Böhmische Prater am 11. Dezember 1944 durch einen Bombenangriff nahezu vollständig zerstört. Nach dem Wiederaufbau in den Nachkriegsjahren erhielt er schließlich sein heutiges Aussehen.
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