Auf Nachtschicht mit "Adler 122"

Auf Nachtschicht mit "Adler 122"
Serie: Die Kunden der Verkehrspolizei: Von Dieben, Rasern und Alkolenkern bis zu den Ignorierern des Handy-Verbots.

Flüchtiges Motorrad am Handelskai ohne Nummerntafeln." So lautet der Funkspruch, der durch den Skoda hallt. "Adler 122 fährt zu", funkt Revierinspektor Karl Bernold zurück und befestigt das Blaulicht auf dem Dach.

Der 200-PS-Motor der Zivilstreife röhrt auf, die Sirenen gehen an und dann geht es rasch dahin. Nur kurz benötigt Abteilungsinspektor Michael Wassermann vom AKH bis zum Handelskai. Dort warten seine Kollegen, die Sekunden zuvor zwei Motorraddiebe festgenommen haben.

Fahrt ins Ungewisse

Rückblende wenige Stunden zuvor: Bernold und Wassermann bereiten sich auf den Abend vor. "Was passiert, kann man bei uns nie wissen", erzählt der Abteilungsinspektor. Langeweile kommt im Job aber selten auf, sagt der Polizist. Highlight des Monats war für ihn eine 62-jährige Drogenlenkerin, die in Schlangenlinien auf der A 22 mit 40 km/h unterwegs war und drei komplette Autobahn-Spuren benötigte. Sie war vom Begräbnis eines bekannten Sängers gekommen. Beim anschließenden Suchtgifttest wurde die Dame auf acht Drogen untersucht. Gerade einmal zwei konnten bei ihr nicht nachgewiesen werden.

Wenig später geht es los. Am Tagesplan steht alles, was anfällt: Drängler, Schnellfahrer, Alkolenker. "Adler 122, Ausfahrt", kündigt Wassermann am Funk an. "So früh heute?", lautet die Antwort. "Ja, wir sind fleißig", schmunzelt Wassermann. Es dauert nur Minuten, bis zum ersten Einsatz. Ein alter Fiat Ducato wird zur Landesprüfstelle nach Simmering gelotst. Der Wagen hat gleich elf schwere Mängel aufzuweisen, darunter ein fehlendes Bremslicht am Heck. 250 Euro Strafe sind fällig. "Das Auto habe ich erst vor Kurzem um 750 Euro gekauft", ächzt der Besitzer.

Als die Beamten mit dem Kastenwagen fertig sind, ist es bereits dunkel. Ein junger Mann grinst aus dem Nachbarwagen und telefoniert weiter. "Der zahlt", sagt Wassermann und bringt das Blaulicht auf dem Dach an. Wenig später zahlt der Lenker 50 Euro Strafe für sein Gespräch mit dem Handy und 14 Euro für fehlendes Verbandszeug. "Die belästigen uns brave Bürger, das sind früher 1000 Schilling gewesen", zeigt sich der Mercedes-Lenker wenig einsichtig.

Für die Beamten gibt es keine Ruhepause: Sechs Bulgaren sitzen in einem zusammengekitteten Ford, zwei Lenker rasen mit Tempo 110 durch die 70er-Zone, eine junge Frau telefoniert am Steuer mit dem Handy. "Telefonieren wird eine immer größere Unsitte. Wenn wir um 10 Uhr fahren, dann telefoniert jeder dritte Lenker", schüttelt Wassermann den Kopf. Das lenkt aber enorm ab und führt zu schweren Unfällen.

Im Freitagabendverkehr ist den Beamten jedenfalls keine Sekunde fad: "Oft müssen wir uns fragen, wen stoppen wir zuerst, wenn mehrere gleichzeitig vorbeikommen." Aber durchschlüpfen kann ohnehin niemand, meint er. Wer sein Fahrverhalten nicht ändert, fällt ohnehin früher oder später wieder auf.

Drängler

Wenige Augenblicke später rast ein oranger Kastenwagen vorbei. Der Lenker hat es eilig. Er drängt andere und fährt auf dem Gürtel von links nach ganz rechts, um zu überholen. "Sie sind rücksichtslos gefahren und Pickerl haben sie auch keines", erklären die Beamten dem rumänischen Lenker. Als es ans Strafe zahlen geht, kann er plötzlich kein Deutsch mehr.

Wenig später ziehen die beiden Verkehrspolizisten zwei Road-Runner mit auffrisierten Fahrzeugen aus dem Verkehr. Der eine war so tief gelegt, dass er bereits seinen Unterboden teilweise verloren hat. Der andere war so leck, dass er auf der Hebebühne einen Ölfleck hinterlassen hat.

Nach fünf Stunden heißt es wieder Einrücken in die Rossauer Kaserne und Anzeigen schreiben. Für die Beamten war das eine "durchschnittliche Nacht", die einen vierstelligen Betrag an Strafen gebracht hat. Weit höher einzuschätzen ist ihr Beitrag für die Verkehrssicherheit in der Stadt.

Verkehrspolizei: 500 Beamte überwachen Wiens Straßen

Im vergangenen Jahr gab es in Wien 4500 schwere Verkehrsunfälle mit mehr als 7000 Verletzten und 29 Toten. Schnellfahren und Rücksichtslosigkeit sind die Hauptursachen. Rund 500 Verkehrspolizisten sorgen in der Bundeshauptstadt dafür, dass die Verkehrsregeln eingehalten werden. Der Erfolg ist nicht ausgeblieben. Seit Jahren sinkt die Zahl der Toten und Verletzten. Nicht immer ist der Job des Verkehrspolizisten bedankt. Immer wieder werden die Beamten von Verkehrssündern als "Abzocker" beschimpft.

Der KURIER durfte erstmals einen Blick hinter die Kulissen der Verkehrsabteilung werfen, die von Brigadier Karl Wammerl und Oberstleutnant Josef Binder angeführt werden. Mehrere Wochen begleitete der Reporter die Verkehrsstreifen und war hautnah am Geschehen dabei, als Beamten einen Motorraddieb stellten, den Schwerverkehr kontrollierten oder in der Früh das Verkehrsunfallskommando ausrückte. Auch die Parkraumüberwacher berichten über ihren Umgang mit Parksündern.

Polizeiintern heißen sie "die MOT" - das ist die Kurzform der motorisierten Abteilung. Eines haben die Beamten gemeinsam: Sie sind alle Auto- und Motorradfans. Genau deshalb haben sie weit mehr Verständnis für die Autofahrer, als ihnen mitunter zugestanden wird. In den kommenden Tagen kann man sich im KURIER selbst ein Bild machen.

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