So restaurierte die Werkstatt etwa die Figuren an den Fassaden von Rathaus und Parlament. Oder das Hotel Imperial, die Akademie der bildenden Künste und den einstigen Sitz der Wiener Werkstätte. Und zwar von einer unscheinbaren Halle in der Simmeringer Rappachgasse aus, dem Wiener Sitz des Betriebs.
Anhaltspunkte gesucht
Dieser ist ein wahrer Fassadenfundus. Hier lagern Teile vieler bekannter Gebäude: „Für den Fall, dass ein Element ersetzt oder nachgegossen werden muss“, erklärt Restaurator Markus Janka. „Sehen Sie da oben? Das ist ein Stück einer Attika-Figur vom Parlament.“
Eingriffe an so heiklen Patienten, wie sie die Werkstatt Zottmann durchführt, müssen gut geplant sein. „Ganz wichtig ist die Anamnese“, sagt Janka. Soll heißen: Bevor an einer Fassade gewerkt wird, wird ihre Geschichte studiert.
Das ist deshalb so wichtig, weil den Restauratoren klar sein muss, wie die Fassade aufgebaut ist und was dem Originalzustand entspricht bzw. welche Veränderungen im Lauf der Zeit vorgenommen wurden. Darauf abgestimmt werden dann Materialien und Farben für die nötigen Arbeiten ausgewählt.
Kopierer gefragt
Worauf es bei einer Fassadenrestaurierung besonders ankommt? „Auf die Authentizität“, sagt Gerhard Zottmann, Chef der Werkstatt. Für ihn und seine Mitarbeiter heißt das in der Regel: Teile nachbauen. Das klingt einfacher, als es tatsächlich ist.
Denn oftmals fehlen die Vorlagen für Konsolen, Kapitelle, Bänder und anderen Dekor. Entweder, weil er im Laufe der Zeit kaputt ging. Oder weil er bewusst entfernt wurde – so geschehen in großem Stil im Wien der 1960er. Die Restauratoren müssen dann anhand alter Fotos, Abbildungen und geschichtlicher Überlieferungen – Stichwort Anamnese – fehlende Teile selbst entwerfen und aus Ton modellieren. Von diesem Modell (oder von etwaigen noch vorhandenen Originalen) wird dann mit Silikon eine Form abgenommen. Mit dieser werden der die Elemente in Handarbeit nachgegossen.
Meistens verwendet Janka dafür sogenannten Romanzement – eine Art historischen Spezialzement. Die genaue Zusammensetzung ist Betriebsgeheimnis. Die gegossenen Teile müssen einige Tage aushärten. Dann werden sie aus der Form gelöst und für mehrere Wochen in ein Wasserbad gelegt. „Das verzögert die Aushärtungszeit, man vermeidet so Risse“, sagt Janka.
Dass ein derartiger Aufwand nicht nur kostet, sondern sich auch lohnen kann, das wird offenbar immer mehr privaten Immobilienbesitzern bewusst. War Zottmann bisher vor allem Aufträge von der öffentlichen Hand und der Kirche gewohnt, sieht er nun eine „spürbare Tendenz zu privaten Fassadenrekonstruktionen“.
Ausschlaggebend seien meist wirtschaftliche Überlegungen: „Eine hochwertige Sanierung der Fassade steigert den Wert eines Objekts deutlich“. In den vergangenen 15 Jahren sei der Anteil der Aufträge in diesem Bereich von maximal zwei auf fünf bis zehn Prozent gestiegen, schätzt Zottmann.
Inspiration geboten
Sind die Fassadenteile fertig ausgehärtet, werden sie auch schon montiert – meist mit Edelstahlankern und Spezialkleber. Wie gelungen das Gesamtwerk ist, darüber befindet am Ende nicht nur der Eigentümer: Weil die Restaurierungswerkstatt vor allem an denkmalgeschützten Bauten oder Häusern in Schutzzonen arbeitet, machen sich auch das Denkmalamt und der Magistrat ein Bild vom Fortgang der Arbeiten – und vom Ergebnis.
Architekten konnten sich früher übrigens in Katalogen Inspirationen für ihre Fassadengestaltungen holen. Manufakturen präsentierten auf diese Weise ihr Angebot an Zierelementen. Womit sich wieder eine Parallele zur menschlichen Haut ergibt: Auch beim Schönheitschirurgen sollen ja Kataloge aufliegen.
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