Anklage gegen sechs Komplizen des Wien-Attentäters eingebracht

Anklage gegen sechs Komplizen des Wien-Attentäters eingebracht
Den Männern werden u.a. terroristische Straftaten in Verbindung mit Mord und terroristische Vereinigung vorgeworfen.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat beim Landesgericht für Strafsachen im Zusammenhang mit dem Terror-Anschlag in Wien eine Anklage gegen sechs Männer im Alter zwischen 21 und 32 Jahren eingebracht. Das bestätigte die Sprecherin der Anklagebehörde, Nina Bussek, am Mittwochabend der APA.

Den Angeklagten werden im Wesentlichen die Verbrechen der Beteiligung an terroristischen Straftaten (§ 278c Absatz 2 StGB ) in Verbindung mit Mord, terroristische Vereinigung (§ 278b Absatz 2 StGB) und kriminelle Organisation (§ 278a StGB) vorgeworfen. Die Anklage ist noch nicht rechtswirksam, die Verteidiger der Angeklagten haben die Möglichkeit, dagegen Einspruch zu erheben.

Waffen besorgt

Ein 32-Jähriger tschetschenischer Abstammung soll dem von der Polizei erschossenen Attentäter über einen Mittelsmann aus Slowenien ein vollautomatisches Sturmgewehr der Marke Zastava, Modell 70AB2 samt passender Munition besorgt und am 23. Juni 2020 übergeben haben. Über denselben Mittelsmann soll der Attentäter vom 32-Jährigen am 25. September 2020 eine Pistole der Marke Tokarew samt Munition erhalten haben.

Der Attentäter verübte in weiterer Folge am 2. November 2020 in der Innenstadt einen Terror-Anschlag, bei dem er vier Passanten tötete und 23 Menschen teilweise schwer verletzte, ehe er von der Polizei erschossen wurde. Im April 2019 war er bereits gemeinsam mit einem nunmehr Angeklagten - ein 24 Jahre alter Mann - vom Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden, weil er Propagandamaterial der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) verbreitet, deren Methoden und Zielsetzungen gerechtfertigt und zudem versucht hatte, nach Syrien zu gelangen, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen.

Dem IS die Treue gehalten

Im Dezember 2019 wurden beide Männer unter Anrechnung der U-Haft aus dem Gefängnis entlassen. Trotz ihrer Vorverurteilung und ihrer fortlaufenden Betreuung durch den Verein Derad hielten sie an ihrer radikal-islamistischen Gesinnung und ihrem fundamentalistischen Gedankengut fest und waren laut Anklage "weiterhin treue Anhänger des IS". Über soziale Medien und in Form persönlicher Treffen hielten sie "regen Kontakt zu anderen Personen aus der radikal-islamistischen Szene", hält die Staatsanwaltschaft in ihrer 117 Seiten starken Anklageschrift fest, die der APA vorliegt.

Derzufolge soll sich der Attentäter noch in Strafhaft mit Plänen zu einem Terror-Anschlag beschäftigt haben. In der Anklage ist von "Überlegungen" die Rede, "nach seiner Entlassung einen terroristischen Anschlag unter Verwendung von Schusswaffen in der Wiener Innenstadt zu verüben". Laut Anklage erkundigte sich der spätere Attentäter bei einem Mithäftling, wie man in Österreich an Waffen gelangen könne, da er nach seiner Enthaftung einen Anschlag am Stephansplatz verüben wolle. Der Attentäter habe aus seinen terroristischen Absichten "in der Haft kein Geheimnis" gemacht, betont die Staatsanwaltschaft. Nachdem er auf freien Fuß kam, habe er sich ab April 2020 "immer intensiver" damit beschäftigt.

Kaufpreis bei Haftbesuch ausgehandelt

Auf der Suche nach Waffen kontaktierte der Attentäter einen Kindheitsfreund, der zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis saß und sich mittels eines illegalen Mobiltelefons nach Waffenhändlern umhörte. So kam der 32-jährige Tschetschene ins Spiel. Der Kindheitsfreund, der nun ebenfalls zur Anklage gebracht wurde, soll Gespräche über den Kaufpreis für ein Sturmgewehr sogar bei einem persönlichen Treffen in der Justizanstalt geführt haben.

Einem weiteren Angeklagten - ein 23 Jahre alter Mann, der sich als Einziger der sechs nicht seit vielen Monaten in U-Haft befindet - wirft die Staatsanwaltschaft vor, den Attentäter im Juli 2020 in die Slowakei begleitet zu haben, wo die beiden Munition kaufen wollten. Das Vorhaben scheiterte.

Umzug für gemeinsame Planung

In weiterer Folge intensivierte sich die Beziehung des Attentäters zu einem 28-Jährigen gebürtigen Afghanen, dem die Anklagebehörde eine besonders tatkräftige Unterstützung bei dessen mörderischen Plänen zuschreibt. Der Afghane soll sogar seinen Wohnsitz in die Wohnung des Attentäters verlegt haben, "um diesen bei der Vorbereitung und der Planung des Anschlags zu unterstützen". Die beiden hätten "fortan gemeinsam eingehend an der Umsetzung des terroristischen Anschlags" gearbeitet, ist der Anklageschrift zu entnehmen.

Aus der Anklage lässt sich rekonstruieren, wie der Attentäter den Ermittlungsergebnissen zufolge die Stunden vor dem Anschlag verbrachte. Am 1. November 2020 suchte er demnach seine Wohnung auf, die er bis zum Anschlag nicht mehr verließ. Am Nachmittag des 1. November stießen der 32 Jahre alte Tschetschene und der 24 Jahre alte Afghane zu ihm, wobei sie "bei den letzten Vorbereitungen zum Anschlag, insbesondere bei der Aufbereitung und Munitionierung der Tatwaffen sowie (...) bei der Herstellung der beim Anschlag getragenen Sprengstoffgürtelattrappe" geholfen haben sollen.

Zwei wietere Unterstützer in der Wohnung

Am 2. November setzte der Attentäter am frühen Morgen sein Handy auf Werkseinstellungen zurück und postete auf Instagram einen Abschiedsbrief. Im Verlauf des Tages langten sein einstiger Reisebegleiter Richtung Syrien, mit dem er gemeinsam verurteilt worden war, und ein 22-jähriger IS-Sympathisant in der Wohnung ein. Der Anklage zufolge unterstützten sie den Attentäter "bei den letzten Vorbereitungen des unmittelbar bevorstehenden Anschlags, insbesondere bei der Auswahl eines potenziellen Anschlagsziels.

Diese beiden Männer sahen laut Anklage zu, wie sich der Attentäter bewaffnete, die mit dem Afghanen gebastelte Sprengstoffgürtelattrappe überstreifte, eine Machete an sich nahm und von 15.08 Uhr bis 16.25 Uhr eine Bekennerbotschaft und den Treueeid auf den IS aufnahm und danach ins Internet stellte. Um 17.44 Uhr stellte der Attentäter auf seinem Instagram-Account dann folgenden Text online: "Bald - so Gott will - werden wir es (das Kalifat, Anm.) zurückbringen wie es ursprünglich war #Islamischer Staat #Kalifat Islamischer Staat #Dubai #Libanon #Saudi-Arabien #Syrien #Frankreich #Griechenland #Deutschland #Türkei #Amerika".

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