Es zählt zwar zu seiner Job-Description, jegliche Mehrkosten für den Staat abzuwenden. Mit der strikten Weigerung, den Opfern der Terrornacht Schmerzensgeld zukommen zu lassen, stößt Wolfgang Peschorn, seines Zeichens Anwalt der Republik, jedoch auf Unverständnis: Am 2. Mai – also sechs Monate nach dem Attentat (fünf Menschen starben, 22 wurden verletzt) – erklärte Peschorn im ORF-Interview, dass es strafrechtlich relevant sei, wenn die Republik etwa die Begräbniskosten der Opfer übernimmt und eine außergerichtliche Einigung anstrebt.
„Dass die Republik hier keine Lösung findet, ist absurd“, meint Spitzenanwalt Norbert Wess, der die Mutter der getöteten Kunststudentin Vanessa Preger-McGillivray vertritt.
Mehr als 20 Opfer und Hinterbliebene wollen eine Amtshaftungsklage gegen die Republik einbringen – am Montag wird nun die erste Klage vor Gericht verhandelt.
Es geht um mehr als Geld
Die Gretchenfrage wird sein: Wird das Gericht eine Kausalität zwischen dem Attentat und dem Versagen der Behörden sehen. Zur Erinnerung: Unmittelbar nach der Terrornacht wurde bekannt, dass der Attentäter bereits im Sommer 2020 vor dem Anschlag im Zusammenhang mit vermuteten islamistischen Gefährdern observiert wurde. Zudem hatte man von einem versuchten Munitionskauf in der Slowakei Kenntnis erlangt – und keinen der Sachverhalte an die Staatsanwaltschaft gemeldet.
Auch der Abschlussbericht der Sonderkommission offenbarte „mangelhafte Verwertung von Informationen“, sah aber keine Kausalität zwischen dem Attentat und den Versäumnissen. Auch Peschorn argumentiert ähnlich in seinem Antwortschreiben an die klagenden Parteien.
Innenministerium aktiv
Allerdings hat Anwalt Norbert Wess in den Akten nun entdeckt, was bis jetzt nur als Vermutung medial berichtet wurde. Nämlich, dass das Innenministerium selbst zwei Beamte wegen Amtsmissbrauch verfolgt.
Am 22. Dezember 2020 erfolgte die Anzeige. Das Innenministerium geht davon aus, dass Beamte des LVT den Strafbestand des Amtsmissbrauchs erfüllt hätten, weil sie verschiedene Sachverhalte nicht an die Staatsanwaltschaft berichtet hätten. Im Schreiben an die Staatsanwaltschaft schreibt das Innenministerium, dass sie die Staatsanwaltschaft um die „Prüfung des Anfangsverdachts in Richtung Amtsmissbrauch bittet“.
Aus der Sachverhaltsdarstellung ist zu entnehmen, dass spätestens am 20. Oktober 2020 eine Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft hätte erfolgen müssen. Sprich: der Attentäter hätte dann wieder in Haft genommen werden können – und die Terrornacht hätte damit verhindert werden können.
Außerdem geht aus der Sachverhaltsdarstellung hervor, dass kurz nach der Enthaftung des Attentäters – also am 8. Jänner 2020 – eine Zustimmung des BVT vorlag, dass eine Risikobewertung von Kujtim F. durchgeführt werden soll. Im Normalfall dauert das drei bis vier Wochen. Warum wurde das LVT nicht aktiv? Laut den internen Protokollen war der Hinweis „wird als nächster bearbeitet“ angegeben. Offiziell wurde also von Jänner bis August 2020 an der Risikobewertung gearbeitet.
Aber damit noch nicht genug an Pannen: Am 11. September wurde die erste Risikobewertung fertig – und diese war auch noch falsch. Hier wurde Kujtim, F. lediglich ein „moderates Risiko“ attestiert. Erst am 7. Oktober wurde vom LVT die Verbesserung der Bewertung durchgeführt, in der Kujtim F. schließlich mit „hohem Risiko“ eingestuft wurde .
Das Innenministerium liest ihr eigenes Schreiben im Gegensatz zu anderen Juristen nicht als Sachverhaltsdarstellung, sondern sagt: „ Nach dem Terroranschlag war es von Beginn an unser Ziel, für volle Aufklärung und Transparenz zu sorgen. Daher wurden umgehend alle dienst- und disziplinarrechtlichen Überprüfungen in die Wege geleitet. Der Bericht der Dienstbehörde wurde sowohl der Untersuchungskommission von Ingeborg Zerbes als auch der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt.“
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