Mariahilfer Straße: SPÖ will Radler aus Fuzo verbannen

"Es ist ein Unterschied, ob wir Jausenstation für durchreisende Flüchtlinge sind oder Dauergäste haben." - Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) übt sich in Realismus.
In der Stadtregierung ist ein Streit um das grüne Prestigeprojekt entbrannt.

Knapp eine Woche vor der Nationalratswahl ist der Wahlkampf auch im Wiener Rathaus angekommen. Auf Initiative der ÖVP ging am Montag der Sonder-Gemeinderat zum Aufreger-Thema Mariahilfer Straße über die Bühne. Als chaotisch, auto- und bürgerfeindlich geißelte die schwarz-blaue Opposition die Neugestaltung der Einkaufsmeile und forderte einmal mehr den Rücktritt von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne). Der gegen sie von der FPÖ eingebrachte Misstrauensantrag blieb erwartungsgemäß ohne Mehrheit (Bericht siehe unten).

Weit mehr Kopfzerbrechen bereitet der Vizebürgermeisterin derzeit allerdings der rote Koalitionspartner. Zwar wurde am Montag ein gemeinsamer Antrag zur Prüfung von Änderungen rund um die neue Fußgängerzone beschlossen. Es geht dabei unter anderem um Alternativ-Routen für Radler, Querungen und eine mögliche Verlängerung der Fußgängerzone (der KURIER berichtete).

Rote Forderungen

Doch das sehr allgemein formulierte Kompromisspapier geht der SPÖ nicht weit genug, um verärgerte Wähler besänftigen zu können. Sie will daher die Radfahrer aus der Fußgängerzone verbannen. „Nach der endgültigen Neugestaltung der Mariahilfer Straße werden dort mehr Fußgänger als jetzt unterwegs sein. Da macht es keinen Sinn, dass sich auch noch Radfahrer durchschlängeln“, sagt SPÖ-Klubobmann Rudi Schicker zum KURIER. Sie sollen daher etwa über die Lindengasse umgeleitet werden.

Auch Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hat am Dienstag im Gespräch mit Journalisten klargestellt, dass er es bevorzugen würde, wenn Radler künftig nicht mehr durch die neue Fußgängerzone fahren dürfen. Auf einen Koalitionskrach legt er aber offenbar keinen Wert. "Wir sind dabei, das zu lösen, friedlich", versicherte er.

Häupl: "Kein Schaden für SPÖ"

Der Bereich solle so gestaltet werden, wie andere große Fußgängerzonen - etwa der Graben oder die Favoritenstraße - auch. "Dort darf man nirgends mit dem Rad fahren", erklärte der Bürgermeister. Dass sich die Causa Mariahilfer Straße - oder der einstige Zwist um das Parkpickerl - auf das SPÖ-Wahlergebnis auswirken wird, glaubt Häupl laut eigenen Angaben nicht: "Ich habe den Eindruck, dass es der SPÖ gar nicht schadet." In der Mariahilfer Straße habe es zwar Dinge gegeben, die nicht funktioniert hätten, wie sich herausgestellt habe. "Aber ich glaube, dass es eine akzeptable Mehrheit für die Fußgängerzone gibt."

Die Grünen wiederum können es sich nicht leisten, so kurz vor der Wahl mit den Radlern eine ihrer Kern-Wählergruppen zu vergraulen. „Es gibt keinen Grund, die Radfahrer zu verbannen. Mit uns wird es das nicht geben“, wird daher der grüne Planungssprecher Christoph Chorherr nicht müde zu betonen.

Auch der roten Forderung nach einer Verlängerung der Fußgängerzone bis zur Stiftgasse kann er nur wenig abgewinnen. Denn dort würden sich Zufahrten zu Garagen befinden.

Grüner Ärger

Nicht umsonst habe man hier eine Begegnungszone eingerichtet, ist seitens der Grünen zu hören. Und das keineswegs im Alleingang, sondern in enger Abstimmung mit der SPÖ. Umso verärgerter ist man über die dem Wahlkampf geschuldeten Forderungen des Koalitionspartners.

Wirklich ernst wird es freilich erst Mitte Oktober, wenn die Ergebnisse der derzeit laufenden Verkehrszählungen rund um die Mariahilfer Straße vorliegen. Auf deren Basis soll entschieden werden, ob und welche Querungen zwischen Neubau und Mariahilf wieder geöffnet werden. Dann ist auch der Wahlkampf wieder vorbei.

Eine Woche vor der Nationalratswahl hat sich die Wiener Kommunalpolitik einmal mehr am Thema Mariahilfer Straße abgearbeitet. Im Rahmen einer Sondergemeinderatssitzung sparte die Opposition erwartungsgemäß nicht mit Wahlkampftönen: ÖVP und FPÖ geißelten das Projekt als chaotisch, auto- und bürgerfeindlich und forderten den Rücktritt von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne). Die attackierte Ressortchefin verteidigte ihre Verkehrspolitik und versprach - ebenso wie die SPÖ -, noch bestehende Probleme auf Basis der für Oktober erwarteten Evaluierungsergebnisse zu lösen.

Einberufen wurde das außertourliche Treffen der Mandatare auf Begehr der Volkspartei. Deren Obmann Manfred Juraczka ortete in Sachen "Mahü" zwei Verdrängungsmodi seitens der Grünen: Einerseits betreibe man Vogel-Strauß-Politik, indem man erkläre, alles sei großartig. Andererseits gebe es den "Oberlehreransatz" - also Leuten die Sache so lange erklären zu wollen, "bis sie es verstehen". Offenbar seien alle Kritiker der Fußgängerzone "Teil der Weltverschwörung, um Ihr segensreiches Wirken infrage zu stellen", mutmaßte Juraczka in Richtung Vassilakou.

"Größenwahn" im "Einbahnzirkus"

Der ÖVP-Chef kritisierte erneut den "Einbahnzirkus", fehlende Kfz-Querungen, die Radfahrerlaubnis in der Fuzo, Anrainerbelastungen durch mehr Seitengassenverkehr, unverständliche Bodenmarkierungen und die 13A-Konflikte. Angesichts eines Jahresumsatzes von mehr als einer Milliarde Euro, der auf der Shoppingmeile vom Einzelhandel erzielt wird, stehe "zu viel auf dem Spiel, als es auf eine läppische Fußgängerzone zu reduzieren". "Machen Sie Wien einen Gefallen und treten Sie zurück", forderte Juraczka die Ressortchefin auf.

Mariahilfer Straße: SPÖ will Radler aus Fuzo verbannen
Ein 13A auf der roten Busspur der neu gestalteten Mariahilfer Straße, Wien 11.09.2013.

Die FPÖ wünschte sich dasselbe und brachte einen Misstrauensantrag gegen Vassilakou, der die Blauen "Größenwahn und Präpotenz" vorwarfen, ein. Die Planung der Mahü Neu sei "hirnlos", die Umsetzung dilettantisch verlaufen, polterte Klubobmann Johann Gudenus. "Sie arbeiten konsequent gegen die Menschen und Interessen in dieser Stadt", so sein Befund. Vernunft und Logik seien das Gegenteil von Rot und Grün. Die Mahü gerate zum Mahnmal namens "Maria Dir ist nicht mehr zu helfen"-Straße, zeigte Gudenus Kreativität.

Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) betreibe "eine Politik der Kindesweglegung. Schließlich sei er Schuld, dass die Grünen in der Regierung sind. Er trage die Letztverantwortung für das entstandene Chaos.

Vassilakou: "Lasse mich lieber jetzt tögeln als später"

SPÖ und Grüne nahmen die Kritik zur Kenntnis und stellten im Gemeinderat Adaptierungen in Aussicht (siehe unten). "Wo es zu Problemen kommt, werden wir entsprechende Maßnahmen setzen", versicherte Vassilakou in einer Art Grundsatzrede. Die Adaptierungen - etwa bezüglich Stauzonen in den Nebengassen - würden nach Auswertung der derzeit laufenden Evaluierung umgesetzt. Entsprechende Ergebnisse lägen im Oktober vor.

Die Stadträtin betonte allerdings, dass sich die Anrainer gegen Querungen ausgesprochen hätten. Was das Radeln in der Fuzo anbelangt - die SPÖ ist davon eher weniger begeistert -, sei dies in 40 der insgesamt 70 Wiener Fußgängerzonen erlaubt. Wenn es mehr Biker gebe, brauche es aber klarerweise auch mehr Routen. Dass es noch Schwierigkeiten in den Begegnungszonen gebe, liege auch daran, dass derlei Verkehrslösungen noch neu seien und einer gewissen Gewöhnung bedürften. Es werde aber wesentlich besser funktionieren, wenn die Niveauunterschiede nach dem geplanten Umbau ausgeglichen sein werden.

Mariahilfer Straße: SPÖ will Radler aus Fuzo verbannen
Mariahilfer Straße

Vassilakou unterstrich in ihrer Rede, dass es hier aber um viel mehr als nur die Mahü gehe - nämlich um die grundsätzliche Frage, wie die Stadt hinsichtlich Wachstum, Klimaschutz und Lebensqualität zukunftsfähig gemacht werden könne. "Ich lasse mich lieber jetzt tögeln für das, was ich mache, als in zehn Jahren dafür, dass ich nichts gemacht habe".

Rückendeckung erhielt die Ressortchefin vom Koalitionspartner. SPÖ-Mandatar Peter Florianschütz sagte: "Die Mariahilfer Straße ist zugegeben eine Herausforderung. Sie ist eine Herausforderung, die wir lösen werden, gemeinsam."

Rot-Grüner Antrag

SPÖ und Grüne werden beim Sondergemeinderat auch einen gemeinsamen Antrag einbringen. Begehrt wird, dass eine Reihe von Maßnahmen geprüft werden, wie die viel diskutierte Fußgänger-und Begegnungszone adaptiert werden könnte.

Die Ressortchefin wird u.a. ersucht zu prüfen, "ob die FußgängerInnenzone größer werden soll, welche verkehrstechnischen Möglichkeiten beziehungsweise welche Gestaltungselemente unmittelbar umsetzbar sind, damit eine gefahrlose und von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte Nutzung der FußgängerInnenzone und der Begegnungszone für sämtliche VerkehrsteilnehmerInnen, besonders aber die FußgängerInnen, gewährleistet werden kann".

Untersucht werden soll auch, "in welcher Weise naheliegende Straßenzüge für den Radverkehr optimiert werden können und ob und welche Querungsmöglichkeiten geöffnet werden sollen". Vor einer Entscheidung "sind die Auswirkungen allfälliger Öffnungen auf die Verkehrssituation in den angrenzenden Seitengassen darzustellen und zu bewerten".

Die Problemzonen auf der neuen Mariahilfer Straße

Kommentare