Alte Fabrikshallen, neu genutzt

Alte Fabrikshallen, neu genutzt
Produktionsstätten von gestern werden zu kulturellen Standorten von heute und bilden Grätzel

In der Remise Wolfganggasse in Wien-Meidling laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Vor wenigen Monaten wurden hier noch die Garnituren der Wiener Badner Bahn serviciert. Ab 16. November werden in dem ehemaligen Betriebsbahnhof die Haubengastronomen Barbara Eselböck und Alain Weissgerber für kurze Zeit mit ihrem Pop-up-Restaurant „Lokvogel“ einziehen. Die Transformation von der Industriehalle zum Pop-up-Restaurant ist im Zuge eines Stadtentwicklungsprojekts entstanden.

Eine Nachnutzung, die sich der Immobilienentwickler Soravia zunutze macht, die Remise erhält und neu bespielt. Der Lokvogel ist das erste Projekt vor Ort und zugleich auch das jüngste Beispiel der Stadt, wie ungenutzte Industriebauten neue Funktionen erhalten.

Alte Fabrikshallen, neu genutzt

Freie Flächen sind in Wien zu teurer Mangelware geworden. Nachverdichtung wie Nachnutzung wird zu einer naheliegenden Lösung – sowohl für Raum- als auch Stadtplaner. Und doch passiert es häufig, dass historische Gebäude aufgrund der wirtschaftlichen Rentabilität abgerissen werden.

Teure Erhaltung

Finanziell zahlt es sich für Bauträger oft nicht aus, bestehende Gebäude zu sanieren, ein Neubau ist in vielen Fällen deutlich günstiger. „Die Nachnutzung einzelner historischer Gebäude innerhalb der Stadt hängt zum Großteil von den jeweiligen Projektanten ab. Als Stadtplaner kann man vieles mitbedenken und einen Rahmen dafür setzen, aber letztlich kommt es auf die handelnden Akteure an, ob eine Nachnutzung stattfindet oder nicht“, erklärt Bernhard Steger, Leiter der MA21, Stadtteilplanung und Flächennutzung.

Im Falle der Remise möchte man Platz für Kulturveranstaltungen und temporäre Gastrooptionen schaffen. „Der Lokvogel ist ein spannendes Projekt, um zu sehen, wie sich der Standort in der Öffentlichkeit und vor Ort überhaupt behaupten wird. Ähnlich wie bei der Sargfabrik, ein denkmalgeschütztes Gebäude in Wien-Liesing, geht es darum, ein potenzielles Grätzel oder eine kulturelle Fläche zu bieten, wo es bislang keine gab“, erklärt Christoph Sommer, Projektverantwortlicher für die Remise bei Soravia. Die Sargfabrik stellt das seit Jahren unter Beweis.

Direkt an der Breitenfurter Straße, zwischen Industriearealen und neuen Wohnprojekten, finden in der ehemaligen Sargerzeugung Atzgersdorf seit 2015 Veranstaltungen von lokalen und internationalen Kulturschaffenden statt. Weit über 100.000 Besucher haben seitdem die abwechslungsreiche Wiederbelebung des Standortes im 23. Bezirk miterlebt.

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„Damit wird auch dem Wunsch der Liesinger Bevölkerung und des Bezirks nach einem kulturellen Treffpunkt im Bezirk entsprochen. Die Sanierung erfolgt schrittweise bei laufendem Betrieb, um die Verwaltung kümmert sich der eigens dafür gegründete Betreiberverein F23“, sagt Christoph Sommer.

Vorreiter Arena Wien

Das Phänomen der Nachverdichtung findet in Wien seinen Ursprung bereits in den 1970ern.

Alte Fabrikshallen, neu genutzt

Das wohl bekannteste Projekt der Stadt ist die Arena in der Baumgasse im Bezirk Landstraße. Mitte der 1970er-Jahre wurde der ehemalige Schlachthof von Aktivisten besetzt, die sich für eine Rettung des Areals und dessen Nutzung als Ort der Jugend- und Alternativkultur einsetzten. Mindestens genauso berühmt sind die Türme des Gasometer oder auch die ehemalige Ankerbrot-Fabrik in Wien-Favoriten (siehe Interview unten).

Nachverdichtung soll vor allem innerstädtische Flächen effizient nutzen, historische Gebäude können dabei behilflich sein und das Alte mit dem Neuen verbinden.

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