Akute Not am Spitalsbett: Wiener Ärzte berichten
Die Aufnahmestation ist für viele die erste Anlaufstelle. Hier werden Ambulanzpatienten versorgt, die zu krank sind, um nachhause geschickt zu werden. Sie dient als Nahtstelle und Puffer: Sie ist darauf ausgelegt, Patienten für maximal eine Nacht zu versorgen, bevor sie auf eine Station verlegt werden.
„Derzeit liegen hier aber im Schnitt fünf Grippepatienten für mehrere Tage, weil es kein freies Betten gibt“, beschreibt ein Allgemeinmediziner eines Wiener Gemeindespieltals dem KURIER.
Es ist nicht der erste Bericht von überlasteten Spitälern: Laut Schilderungen eines anderen Spitalsarztes kommen Wiens Intensivstationen aktuell an ihre Kapazitätsgrenzen – der KURIER berichtete.
Ein Bettenspiegel (siehe unten) zeigt die Situation von vergangenen Mittwoch. Unter dem Reiter ICU (Intensive Care Unit) sind die Intensivstationen der Spitäler farblich gekennzeichnet. Blau bedeutet, dass nur noch ein Bett frei ist. Dieses letzte Bett ist für einen möglichen Herzalarm reserviert. Abteilungen, die rot aufleuchten, haben selbst dieses eine Bett nicht mehr.
Solch ein blau-roter Bettenspiegel ist laut Spitalspersonal problematisch. Von Rettungsdiensten gemeldete Notfälle kämen erschwerend hinzu. Im schlimmsten Fall führt das zu einem Engpass von invasiven Beatmungsgeräten, für die eine Intubation nötig ist. Die während Corona angeschafften „AirVo“-Geräte versorgen im Gegensatz dazu über Masken mit Sauerstoff. Invasive Beatmungsgeräte brauchen spezielle Anschlüsse, die es nur in bestimmten Räumen gibt.
Optimale Behandlung ist derzeit nicht möglich. Der Patientin ging es zum Glück etwas besser, vielleicht schafft sie es auch so
Dieses Problem schildert auch der Allgemeinmediziner von seiner Klinik: „Donnerstagnacht wurde ein Bett auf der Intensiv für eine infektiöse Patientin gebraucht. Noch am nächsten Morgen lag sie auf der Normalstation und hing am AirVo, obwohl die Kollegen sie lieber invasiv beatmet hätten. Die optimale Behandlung ist derzeit nicht mehr möglich. Der Patientin ging es in der Früh zum Glück etwas besser, vielleicht schafft sie es auch so.“
Engpässe verschärfen sich
Er würde Stunden mit der Bettensuche für Grippepatienten mit Lungenentzündungen verbringen. Andere Spitäler könnten nicht helfen, da man auch dort völlig ausgelastet sei. Die aktuelle Situation erklärt der Mediziner mit fehlendem Pflegepersonal, vermehrt gesperrten Betten, dem wieder voll angelaufenen Operationsbetrieb sowie der Grippewelle.
Beim Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) betont man auf Anfrage, dass Bettenspiegel nur Momentaufnahmen seien. Hingewiesen wird auf Intensivbetten, die aufgrund einer Operation freigehalten, dann aber nicht benötigt werden. Dass es laut Bericht eines Arztes vergangenen Sonntag kein einziges freies Intensivbett gegeben haben soll, könne man auch nach intensiver Recherche nicht bestätigen.
Über 800 gesperrte Betten
In ganz Wien gibt es 5.300 „systematisierte“ Betten. Die real verfügbare Bettenzahl ist jedoch eine andere und unterliegt Schwankungen – etwa durch Krankenstände, Entlassungen und Neuaufnahmen von Patienten.
Mit Stand Mittwoch waren laut Wigev auf allen Normalstationen 827 Betten gesperrt und 790 frei (exklusive AKH). Auf den Intensivstationen gab es zum selben Zeitpunkt 60 gesperrte Betten und genauso viele freie. „Gesperrte Betten sind eine wichtige Größe, aber kein Indikator für die Versorgung. Die war und ist auch während Covid jederzeit sichergestellt. Dabei ist es immer das oberste Ziel, möglichst keine Operationen oder Behandlungen verschieben zu müssen“, erklärt ein Sprecher.
Erhoben hat man auch die offenen Pflegestellen: Rund 800 Mitarbeiter fehlen, weshalb unter anderem Ausbildungsplätze aufgestockt wurden. Bis die neuen Fachkräfte für eine spürbare Entlastung sorgen, wird es aber wohl noch Jahre dauern.
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