AKH Wien: So wurden krebskranke Frauen getäuscht
Volle Unterstützung der Patientinnen, die von der Causa des mittlerweile entlassenen AKH-Chirurgen Michael Gnant betroffenen sind, fordert Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz. Wie berichtet, wird dem prominenten Mediziner vorgeworfen, in zahlreichen Fällen OP-Protokolle falsch ausgefüllt zu haben. Sein Name schien darin auf, obwohl er die Operationen offenbar nicht selbst durchgeführt hat.
Bei Pilz haben sich gleich mehrere Frauen gemeldet, bei denen dies nachweislich der Fall war. „Der älteste Fall datiert auf das Jahr 2012, als er noch nicht Vorstand der Uniklinik für Chirurgie war, der jüngste stammt aus dem April dieses Jahres“, schildert Pilz dem KURIER.
Pilz spricht allein für den Zeitraum Mai 2017 bis Mai 2018 von insgesamt rund 60 dem Chirurgen zugeschriebenen Operationen, von denen nur zehn Prozent von ihm selbst durchgeführt wurden.
Nachweisen ließ sich das laut Pilz anhand der Pflegeprotokolle, in denen der Name des tatsächlich operierenden Arztes eingetragen war. Kurioses Detail: „In mehreren Fällen wurde der Name des richtigen Arztes durchgestrichen und durch jenen des Klinikchefs ersetzt. Später wurde diese Änderung wieder rückgängig gemacht“, sagt die Patientenanwältin. „Offenbar hat sich die Pflege gegen die Vorgehensweise des Chefs gewehrt.“
Mehr als 50 Betroffene im OP-Protokoll-Skandal, Arzt dementiert
Insofern sei die Verteidigungsstrategie Gnants für Pilz nichts weiter als eine „Nebelbombe“: In einem Presse-Interview betonte er, das OP-Programm hätte automatisch seinen Namen eingesetzt. Jene Kollegen, die an seiner Stelle operiert hätten, hätten übersehen, den Namen zu ändern oder gedacht, dies gehöre sich so.
Auch bei der für die AKH-Ärzte zuständigen MedUni Wien weist man diese Darstellung zurück. „Sie ist völlig unplausibel. Gegenüber der von uns zu dieser Causa eingesetzten Sonderkommission haben alle Chirurgen bestätigt, dass es mit dem OP-Programm keine Probleme gibt“, sagt ein Sprecher dazu.
Privatordination
Anhand der Schilderung einer betroffenen Brustkrebs-Patientin erläutert Pilz, wie sich deren Täuschung abgespielt habe: „Sie war Patientin der allgemeinen Klasse und kam in die private Ordination des Arztes, wofür sie ein Honorar von rund 200 Euro bezahlt hat. Dort wurde ihr versprochen, dass sie von ihm im AKH operiert wird. Sie war dann sehr verwundert, dass sie ihn dort weder im OP-Saal noch nach dem Eingriff zu Gesicht bekommen hat. Als sie ihn später in der Ordination darauf angesprochen hat, hat er ihr entrüstet das OP-Protokoll mit seinem Namen unter die Nase gehalten.“
Besonders tragisch sei der Fall einer jungen Frau, die sich an den Arzt gewandt hatte – in dem Glauben, er sei eine Koryphäe auf seinem Fachgebiet. Sie ist letztlich verstorben.
Mithilfe des AKH Wien, das die Daten der Patientinnen hat, will sich Pilz jetzt an alle betroffenen Frauen wenden. In dem Brief werden sie zu einem persönlichen Gespräch in der Patientenanwaltschaft eingeladen (siehe Faksimile). „Die Patientinnen haben das Recht zu wissen, wer sie operiert hat. Zudem dürfen in der Krankengeschichte keine falschen Angaben gemacht werden“, sagt Pilz.
Ob die Betroffenen Schadenersatz-Ansprüche geltend machen können, sei aber noch offen. Ebenso, ob es zu einer strafrechtlichen Verfolgung des Arztes kommt. Im Raum steht laut Pilz der Verdacht der Beweismittelfälschung und der Täuschung. An der MedUni wird gerade beraten, ob man Anzeige erstattet. „Sie ist eine Option für uns“, sagt der Sprecher.
Aufregung in Rumänien
Die Causa hat zuletzt auch für großen Wirbel in rumänischen Medien gesorgt. Der Hintergrund: Zahlreiche Rumänen lassen sich im AKH Wien als Privat- oder Kassenpatient behandeln. Unter den Patienten war auch eine rumänische Prominente: TV-Star Teo Trandafir habe sich 2011 von Gnant im AKH behandeln lassen, berichtet etwa das rumänische Newsportal evz.ro.
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