Ärzte sitzen laut Experten auf dem längeren Ast

Im Zuge des Streiks ist auch eine Ärztedemo geplant.
Laut Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal darf ein Streik kein Grund für Entlassungen sein.

Das Kräftemessen zwischen der Stadt Wien und ihrer Spitalsärzte steuert einem ersten Höhepunkt zu: Mit einer "arbeitsrechtlichen Schulung" im Festsaal der WU im Prater starten heute, Mittwoch, die Kampfmaßnahmen der Ärzte gegen die umstrittene Neuregelung der Arbeitszeiten.

Mit der Info-Veranstaltung will die Ärztekammer verhindern, dass Ärzte aus Angst vor dienstrechtlichen Konsequenzen die Teilnahme am Warnstreik am 12. September verweigern. Das wollte der Krankenanstaltenverbund (KAV) zuletzt mit einem scharf formulierten Schreiben bezwecken. Es gebe demnach keinen Streikgrund, eine Teilnahme sei eine Dienstpflichtverletzung. Konsequenzen könnten bis hin zur Entlassung reichen.

"Ein Streik ist in aller Regel eine Verletzung der Arbeitspflicht", sagt Wolfgang Mazal, Arbeitsrechtler an der Uni Wien, dazu. Laut jüngster EuGH-Judikatur dürfe ein Streik aber keinesfalls ein Entlassungsgrund sein. Dies gelte wohl auch für mildere Formen der Sanktionen – wobei es laut Experten dazu noch keine Rechtssprechung gebe.

Für Mazal habe die Ärztekammer grundsätzlich die besseren Karten: "Gewerkschaften sitzen in solchen Konflikten immer am längeren Ast. Und die Kammer ist wie eine Gewerkschaft zu betrachten: Denn sie hat das Recht, für ihre angestellten Mitglieder Kollektivverträge zu verhandeln. Das beinhaltet auch das Recht zu streiken."

Streikfonds

Somit seien streikende Ärzte auch nicht auf den Streikfonds des ÖGB (der den Ärzteprotest nicht unterstützt) angewiesen, um finanzielle Unterstützung (Ausgleich von Gehaltsentgängen, Rechtshilfe bei Sanktionen durch den Dienstgeber) zu erhalten. Stattdessen könne die Kammer die Mittel aus ihrem Kampf- und Aktionsfonds heranziehen. Dieser ist mit rund 24 Millionen Euro prall gefüllt.

Für Mazal sind auch die inhaltlichen Streikziele der Ärzte legitim, zumal die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen (z.B. keine Nachtdienst-Reduktion) im Vordergrund stünden – "unabhängig davon, ob der Streik möglicherweise politische Hintergründe hat", sagt der Experte. Zuletzt hatte der KAV, aber auch Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), stets argumentiert, die Kampfmaßnahmen seien lediglich mit dem Kammer-internen Wahlkampf zu erklären.

Geht es nach dem Streikkomitee der Wiener Ärztekammer, wird es beim Warnstreik am 12. September in den KAV-Spitälern lediglich einen Notbetrieb geben, der dem Feiertags- und Wochenendbetrieb entspricht. Dies sei laut KAV unzulässig. Würden Ärzte in der Dienstzeit an Kampfmaßnahmen teilnehmen, könne der Versorgungsauftrag nicht vollumfänglich erfüllt werden. Auch dieser Argumentation kann Mazal nicht folgen. "Der Versorgungsauftrag bindet nicht die Ärzte, sondern den Rechtsträger der Spitäler." Die Maßnahmen der Ärzte würden zum Wesen eines Streiks gehören.

"Das Ausmaß der Kampfmaßnahmen muss aber immer im angemessenen Verhältnis zu den Streikzielen stehen", betont Mazal. Nicht legitim wäre es, wenn die Ärzte gar keine Dienste mehr versehen würden bzw. es zu einer akuten Gefährdung der Patienten kommen würde.

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